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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sie dich zuerst suchen.«
    »Und dann in Prüm bei meinem Sohn.«
    »Aber da werden sie dich auch nicht finden.«
    Er drängte wieder zur Eile, um den Herbststürmen zuvorzukommen.
    Irmingard tobte. Es konnte doch nicht so schwierig sein, eine Gefangene zu töten! Sie aber auch noch entkommen zu lassen und nicht wieder einzufangen, war sträflich. Voller Abscheu betrachtete Lothar die Frau, die er geheiratet hatte. Ein ständig mäkelndes, unzufriedenes und obendrein noch maßlos ehrgeiziges Weib. Mit einem Vater, der sich gab, als hätte er allein Lothar die Kaiserwürde gesichert, ein Graf, der als zweiter Mann im Reich auftrat und ihn mit stets unverschämteren Forderungen belästigte. Da hatte er sich einer schönen Familie ausgeliefert! Kurz ging Lothar durch den Kopf, mit welcher Würde Judith auf dem Rothfeld in Colmar ihr Schicksal auf sich genommen hatte und wie viel lieber er sein Leben an der Seite dieser Frau geführt hätte.
    Aber sie hatte Ludwig geheiratet, ohne den sie jetzt ein Nichts und Niemand war. Wie auch Ludwig ohne seine Herrin ein klägliches Bild abgab. Und solange sich der Vater in seiner Gewalt befand, fühlte sich Lothar seiner Macht sicher. Da er auch Ludwigs Entführung aus der Gefangenschaft fürchtete, holte er ihn aus dem Kloster in Soissons und beschloss, ihn nicht mehr aus den Augen zu lassen. Er schleppte ihn erst nach Compiègne mit sich, wo er eine Reichsversammlung abhielt, und zog dann mit ihm weiter nach Aachen, wo er endlich sein Recht als alleiniger Kaiser einfordern und sich auf den Thron der Pfalzkapelle setzen wollte. Dabei war er sich allzeit gewärtig, gegen seine Brüder losschlagen zu müssen, die ihre Unzufriedenheit mit der formellen Absetzung Kaiser Ludwigs bereits lautstark kundgetan hatten. Sollten sie doch klagen! Die beiden Gesandtschaften, die Ludo in aller Form zu Kaiser Ludwig schickte, ließ er jedenfalls nicht vor, sondern schickte sie unverrichteter Dinge wieder heim.
    Abt Markward stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die Frau in der Nonnentracht erkannte. Er verneigte sich tief vor dem einstigen König der Dänen, den Ruadbern als solchen auch vorstellte, und versicherte, es sei eine Ehre für Prüm, den edlen Herrscher willkommen zu heißen. Harald Klak erkundigte sich nach der Sandale Jesu, und Abt Markward versprach, dem bekehrten Wikinger die Kostbarkeit selbst vorzuführen. Judith sah Arnes leuchtende Augen und ermunterte ihn, sich den beiden hohen Herren anzuschließen.
    »Du bist wie deine Tante Gerswind«, sagte Abt Markward zustimmend und beschämte Judith mit seinen nächsten Worten. »Sie bedenkt auch die einfachen Leute. Da zeigt sich die wahre christliche Gesinnung einer Kaiserin.«
    Nachdem er den einstigen Dänenkönig und den einstigen Bauern ihrer Andacht überlassen hatte, eilte er zu einer windschiefen Hütte am Ufer der Prüm.
    An Frau Gerswind schätzte er besonders, dass er nie viele Worte machen musste, und auch jetzt begriff sie unverzüglich und begleitete ihn mit Karl zum Haus des Abtes.
    »Karl!«, rief Judith, als er vor Gerswind die Kammer betrat. Sie bedeckte ihren Sohn mit Küssen und hielt ihn fest, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. »Wie groß du geworden bist!«
    Ähnliches dachte Gerswind von Ruadbern, aber sie sagte es nicht. Sie lächelte den erwachsenen Sohn ihrer einstigen Freundin Hruodhaid versonnen an, hoffend, seiner Erinnerung sei das schreckliche Geschehen ihres letzten Zusammenseins zwanzig Jahre zuvor entfallen.
    »Ein silberner Tisch«, sagte Ruadbern leise zu ihr. »Du hast mir das Leben gerettet. Danke.« Er sah sie forschend an. »Wo ist deine Tochter?«
    »In Chelles, bei meiner Schwester. Dort, wo sich auch Judiths Tochter aufhält«, sagte Gerswind. Ihr Staunen über Ruadberns Gedächtnis wich Betroffenheit, als sie Judith nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder in die Augen sah.
    »Es tut mir so leid«, sagte sie leise.
    »Nichts davon ist deine Schuld«, antwortete Judith heftig. »Ich danke dir, dass du Karl gehütet hast.« Sie ließ ihren Sohn zu dessen Erleichterung los, zog Gerswind fest an sich, küsste ihr die Wangen und setzte flüsternd hinzu: »Und mich.«
    Abt Markward meldete sich laut räuspernd zu Wort und verkündete, er werde Judith, Karl und Ruadbern umgehend nach Mürlenbach schicken, wo sie sicher seien.
    »Mürlenbach?«, fragte Judith und wischte sich die Tränen der Rührung vom Gesicht.
    »Eine nahe gelegene Burg, die vor langer Zeit der Abtei übereignet

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