Die Welfenkaiserin
wieder zu sich zu holen. Er wusste, wo sie sich befand, seit er die Botschaft von Abt Markward erhalten hatte, dass Judith noch lebe und alle wohlbehalten seien.
Es galt Abschied zu nehmen von Mürlenbach. Sehr erleichtert ließen die alten Verwalter die junge Familie ziehen. Sie hätten es nie gewagt, Abt Markward zu fragen, weshalb er diese Leute für geeignet gehalten hatte, sich um die vielfältigen Aufgaben bei der Führung einer Burg zu kümmern, aber sie wunderten sich doch. Der jungen Frau, die von einer ungesunden Sorge um ihren Sohn wie besessen zu sein schien, fehlten die einfachsten Kenntnisse. Als Magd, der man zu sagen hatte, was und wie sie etwas erledigen sollte, wäre sie durchaus brauchbar gewesen, da sie hart arbeiten und kräftig zupacken konnte, aber ein verantwortliches Amt würde sie nie und nimmer ausüben können. Ihr Mann verstand zwar erheblich mehr von Führung, aber sein körperlicher Zustand war höchst beklagenswert. Schwarze Ringe unter seltsam brennenden Augen zeugten gewiss von einer bösen Krankheit. Wie oft war es geschehen, dass er morgens einen Schwächeanfall erlitt und für den Rest des Tages das Bett hüten musste. Dann vernachlässigte seine Frau ihre Pflichten, begab sich zu ihm und umsorgte ihn, als wäre er ein kostbares Rind.
Der Sohn war vollends unerträglich. Er war faul, gab Widerworte und war nicht einmal dazu zu bewegen, den Stall auszumisten. Aber daran war auch die Mutter schuld, die ihn nicht zur Arbeit anhielt und alle seine Nachlässigkeiten verteidigte. Niemand durfte ein böses Wort an Wieland richten. Vielleicht war er als kleiner Knabe sehr krank gewesen, sagte die Verwaltersfrau zu ihrem Mann; und da Hildegunde außer Wieland kein weiteres Kind hatte, könnte sie befürchtet haben, im Alter zu verhungern, falls ihm etwas zustoße. Zumal ihr Mann von so ungewöhnlich zarter Beschaffenheit war. Das Verwalterpaar war sich einig. Abt Markward konnte nur ein einziger Grund bewogen haben, dieses seltsame Dreigespann zu ihnen zu schicken: Mitleid mit einer in Not geratenen Familie. Mithilfe des Burgpfarrers verfassten die alten Leute einen Brief, in dem sie den Abt anflehten, nun ein Paar nach Mürlenbach zu schicken, das sich wirklich auf Führungsaufgaben verstand und sich den Umständen des Lebens auf einer Burg besser anpassen konnte.
Kaiser Ludwig verkündete, das im vergangenen Jahr Geschehene zu vergessen, und verzieh den Männern, die von ihm abgefallen waren. Die neue Bezeichnung für das Rothfeld zu Colmar konnte er dem Volksmund allerdings nicht mehr entreißen. Tatsächlich sollte es über ein Jahrtausend lang den Namen das Lügenfeld behalten.
Abt Markward selbst lieferte Judith und Karl rechtzeitig zum Osterfest beim Kaiser ab. Ludwig schämte sich nicht der Tränen, die ihm über die Wangen liefen, als er Frau und Sohn in die Arme schloss. Er bot Ruadbern Ebbos Posten, eine Grafschaft und große Summen Geldes an, doch der junge Mann lehnte jegliche Belohnung für seine Mühen ab.
»Zu welcher Familie gehörst du nur?«, fragte Ludwig verblüfft.
»Zu deiner, Oheim«, erwiderte Ruadbern lachend. Vor Ludwigs Gesicht tauchte das Bild seiner Schwester Hruodhaid auf. Er vermeinte, ihre Stimme zu hören, die durch ein unbezwingbares Stottern stets leicht gezittert hatte. Er war schuld an ihrem Tod sowie an dem ihres geliebten Gefährten, Ruadberns Vater. Er hatte sich schwer an seinem Neffen versündigt.
»Irgendetwas wirst du dir doch wünschen«, sagte er verzweifelt.
Ruadbern senkte die Lider. »Ich liebe die Kaiserin und will ihr weiterhin dienen.«
»Gewährt! Aber das kann doch nicht alles sein! Du darfst mir meinen Dank nicht vorenthalten.«
»Dann bitte ich um zweierlei«, sagte Ruadbern. Er erläuterte, dass eigentlich Harald Klak und der Knecht Arne die Kaiserin befreit hätten. Ohne die Segelkünste des Wikingers und die Schlagkraft des Knechts wären sie jetzt alle tot.
Ludwig ordnete augenblicklich an, Harald Klak den stärksten Bären aus seinem Zwinger zu schicken, ließ ihm ein besonders gehärtetes Schwert anfertigen, das mit kostbaren Edelsteinen aus der kaiserlichen Schatzkammer besetzt wurde, und legte ein riesiges goldenes Kreuz dazu. Die Belohnung Arnes hatte sich Judith ausgedacht. Er wurde nicht nur aus seinem Stand befreit, sondern erhielt ein großes Lehen in der Nähe von Poitiers. Judith ließ es sich nicht nehmen, bei der Hochzeit mit seiner Gefährtin Anna, ihrer Näherin, als Trauzeugin aufzutreten. Außer ihr
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