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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Regal davorgestellt. Zum guten Schluss wurden Spinnweben vorsichtig vom Dachgebälk gelöst und über das Regal gehängt.
    Als Pippin aus der Klosterkirche trat, um seine Tante, die Kaiserin, ehrerbietig zu grüßen, rollte das Bauernpaar den Karren zu einem Mauerloch, hinter dem sich offenbar das Lager befand. Die Frau schlüpfte durch den Eingang, der Mann schüttete das Getreide hinterher und machte sich dann an dem Karren zu schaffen, von dem ein Rad abgefallen war.
    Wenig später kletterte die über und über mit Getreidemehl bestäubte Frau wieder aus dem Loch.
    »Hinfort mit euch, wenn euch euer Leben lieb ist!«, rief Irmingard verärgert. Mit tief gesenktem Haupt eilte die Bäuerin aus dem Abteihof.
    »Der Karren …«, sagte der Bauer und bekam als Antwort die Gerte der Kaiserin zu spüren.
    »Verschwinde!«
    Ein Mann aus Irmingards Gefolge ergriff den Karren, rollte ihn vors Tor und rief dem Bauern zu: »Hier hast du ihn. Für eine Nacht mit deiner staubigen Frau!« Gutmütiges Gelächter der wartenden Krieger begleitete seine Worte.
    Wie gut, dass wir Arne mit einem großen Hof nahe Poitiers ausgestattet haben, dachte Judith, ließ sich einfach am Wegesrand fallen und zeigte Arne ihre nackten Füße. Blutstropfen sickerten durch den Schmutz auf den Sohlen. »Zuerst habe ich den Schmerz überhaupt nicht gespürt«, sagte sie. Nach dem Schreck, Irmingard auf dem Abteihof gesehen zu haben, war sie, wie vom Teufel gejagt, die von Steinen und Kot übersäte Straße hinuntergerannt.
    »Euretwegen hatte Anna Schuhe anziehen wollen. Aber das wäre vielleicht aufgefallen, Herrin«, sagte Arne, betrachtete besorgt die Wunden an Judiths Füßen und schlug ihr dann vor, sich von ihm im Karren ziehen zu lassen. Es sei noch ein gutes Stück bis zu jener Stelle, wo Ruadbern mit den Pferden warte.
    In den irren Augen der Kaiserin las Äbtissin Philomena deren Wunsch, die Abtei niederzubrennen.
    »Mein Kind«, sagte sie zu Irmingard, »du bist ja völlig erschöpft. Nimm etwas vom guten Wein deines Vaters zu dir, Friede seiner Seele.«
    »Meines Vaters?«, fragte Irmingard verwirrt.
    »Aber gewiss.« Die Äbtissin lächelte gütig. »Diese Abtei stand im besten Einvernehmen mit Graf Hugo. Es war eine sehr innige Verbindung. Ich mag gar nicht aufzählen, womit er uns bedacht, was er uns einst alles hat zukommen lassen und wie er das Seelenheil der mir anvertrauten Schwestern berücksichtigt hat. Grund genug, seiner zu gedenken, täglich Messen für seine Seele zu lesen und Gottes Gnade für ihn zu erbitten. Lass uns gleich in der Kapelle ein Licht für ihn entzünden. Die Heilige Radegundis möge sich beim Herrn für den edlen Graf Hugo einsetzen.« Sie nahm Irmingard am Arm und ging mit ihr auf die Kirche zu. Nach dem gemeinsamen Gebet und einer längeren Unterredung besann sich Irmingard ihrer Pflicht als Mutter des künftigen Kaisers und kehrte am nächsten Tag mit ihrem Gefolge nach Italien zurück.
    Karl ließ davon ab, Lothar zu verfolgen, als ihm der geplante Überfall auf seine Mutter zugetragen wurde, und traf zwei Wochen danach auf einem Hof bei Poitiers ein. Er traute seinen Augen kaum, als er an einem sonnigen Oktobermittag mit Ruadbern durch die Palisadenumzäunung des ansehnlichen Gehöfts ritt.
    Die Königinmutter saß in bäuerlicher Tracht barfuß im Hof auf einem Baumstumpf und hielt einen Säugling im Arm, während sie mit drei kleinen Kindern, die sich um sie geschart hatten, ein Lied einübte.
    »Karl!«, rief sie begeistert, sprang auf, reichte dem ältesten Kind den Säugling, rannte wie ein junges Mädchen auf ihren Sohn zu und nahm ihn in die Arme.
    Ruadbern hielt sich im Hintergrund. Das Herz ging ihm bei Judiths Anblick auf. Noch nie hatte er sie so fröhlich und unbeschwert in Bewegung gesehen. Noch nie so schön. Gesicht und Hals, die sie früher stets sorgsam vor Sonnenstrahlen geschützt hatte, waren braun gebrannt, die nackten Arme erheblich kräftiger als früher, die Schultern breiter, der Busen voller und die Füße nackt und schmutzig. Als sie sich nach der Begrüßung ihres Sohnes an ihn wandte, widerstand er mühsam der Versuchung, sie an sich zu ziehen und die nie zuvor gesehenen Sommersprossen auf ihrer kleinen Nase zu küssen. Er verneigte sich höflich.
    Karl war sichtlich irritiert.
    »Was ist das hier?«, fragte er ungnädig. »Meine Männer sollen dich schützen, und du verschanzt dich ohne sie auf einem ungeschützten, dreckigen Bauernhof?«
    »Deine Männer, oder was von

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