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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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höchstselbst übernehmen, könnte sich das dreiste Weib dies gar als Ehre anrechnen. Das hast du in deiner Güte womöglich übersehen.«
    Ludwig blieb stehen und musterte seine beiden geistlichen Berater mit zusammengezogenen Augenbrauen. Wer gab hier die Anordnungen? Er unterdrückte den Ärger, der in ihm aufstieg, und beschied den beiden: »Die Welfentochter. Judith. Unverzüglich.«
    Die Suche nach Judith gestaltete sich erheblich schwieriger als gedacht, da sich die Welfentochter schon längst nicht mehr bei den anderen Mädchen in der Königshalle aufhielt. Derzeit wanderte sie mit Bernhard durch den unteren Gang des Palatiums, wo sich einst die Kinderkammern befunden hatten und sie bei ihrem Ausflug Ruadbern begegnet war.
    »Das hat es hier damals nicht gegeben«, bemerkte sie leichthin und deutete auf das große Holzkreuz zwischen den Öllampen.
    »Der Kaiser ist überaus fromm«, erklärte Bernhard, »er wünscht den Hof überall im Palatium an die Anwesenheit des Herrn zu erinnern.« Lauernd musterte er Judith von der Seite, als er fortfuhr: »Und er möchte damit wohl auch die letzten Spuren der unzüchtigen Lebensweise seines Vaters, seiner Schwestern und anderer leichtlebiger Frauen des Hofes tilgen.« Ob Judith auf die versteckte Frage nach ihrer möglichen eigenen Leichtlebigkeit während ihrer letzten Jahre am Hof eingehen würde?
    Den Gefallen tat sie ihm nicht.
    »Kindergeschrei fehlt«, meinte sie fast sehnsüchtig.
    »Außer Ruadbern gibt es hier keine Kinder mehr«, versetzte Bernhard, »aber das könnte sich nach der Heirat des Kaisers natürlich ändern.«
    »Was den jetzigen Söhnen Ludwigs gewiss keine Freude bereiten würde«, erklärte Judith spöttisch. Bernhard hob die dunklen Augenbrauen. Er begriff sofort, worauf sie hinauswollte und war von ihrer Weitsicht beeindruckt. Die junge Frau gefiel ihm. Er erinnerte sich, dass die Welfen als sehr vermögend galten. Welche Ländereien Judith wohl in eine Ehe mitbrachte? Er würde ihren Bruder befragen.
    »Die künftigen Söhne werden sich mit Grafschaften begnügen müssen«, sagte er. »Die Ordinatio imperii, die vor zwei Jahren beschlossen wurde, ist schließlich unumstößlich. Das Reich ist aufgeteilt. Lothar erbt den Kaisertitel, und Ludo und Pippin herrschen über ihre Königreiche. Es sei denn …«, er schmunzelte und dachte an die Unterredung mit Harald Klak.
    »Was?«, drängte Judith.
    »Es sei denn, auch Dänemark wird christlich und dem Reich einverleibt. Ein neuer Sohn könnte dann den dänischen Königstitel erben.« Mit Harald Klak, dachte er, wird Ludwig in einem solchen Fall wohl ebenso kurzen Prozess machen wie mit seinem Neffen Bernhard von Italien. In diesem Kaiserreich konnten aus Bundesgenossen sehr schnell Gegner werden.
    Judith blieb vor der Kammer stehen, die sie einst bewohnt hatte, und stieß sacht die Tür auf.
    »Meine Großmutter war eine dänische Königstochter«, bemerkte sie, verdrängte dann rasch das Bild der gestrengen Geva, vor der sie sich als kleines Mädchen gefürchtet hatte, und sah sich in dem kleinen Raum um, den sie sich einst mit den Enkelinnen Kaiser Karls geteilt hatte. Deren Vater ebenfalls Bernhard geheißen hatte und der von Ludwig getötet worden war. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Der Kaiser, mit dem sie sich unterhalten hatte, wirkte nicht wie ein skrupelloser Mensch. Eher wie jemand, den die Last seines Amtes schwer bedrückte. Doch der gequälte Ausdruck war aus seinen Augen gewichen, als er sie sanft und freundlich angesprochen hatte. Erstaunt darüber, dass er nicht halb so einschüchternd wirkte wie sein gestrenger Vater einst, hatte sie sich ihre kecken Antworten erlaubt.
    »Ich sollte dich unserem Gast aus dem hohen Norden unbedingt vorstellen«, schlug Bernhard vor. »Wenn deine Großmutter eine dänische Königstochter war, müsste Harald Klak ja mit dir verwandt sein.« Er ließ sich auf einer Bank nieder und dachte einen Augenblick nach. »Er sucht übrigens ebenfalls eine Frau. Wenn du ihn heiratest, kannst du den dänischen Thron für deine Familie zurückgewinnen.«
    »Ich will überhaupt nicht heiraten«, gab Judith mürrisch zurück. Musste sie denn andauernd auf irgendwelche Ehekandidaten angesprochen werden? Und jetzt ausgerechnet auch noch von diesem Mann, den sie gern besser kennengelernt und mit ihrer Schönheit und ihrem Geist beeindruckt hätte? Sah auch er in ihr nur einen zu veräußernden Wertgegenstand? Sie schluckte den aufsteigenden Ärger hinunter

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