Die Welfenkaiserin
geworden war. Sie hatte Besessenheit mit Liebe verwechselt. Worin mochte sie sich noch geirrt haben? Darüber musste sie nachdenken. Sie beschloss, Bernhard mit freundlichem Lächeln abzuweisen.
Doch das Lächeln erstarb ihr auf den Lippen, als sich Lothars Gemahlin an ihr vorbei in den Raum drängte. Irmingard, schon wieder hochschwanger, ließ sich auf die Bank in der Ecke plumpsen und sah Judith feindselig an.
»Mein nächster Sohn wird Lothar heißen«, eröffnete sie das Gespräch.
»Hast du auch schon einen Namen für eine Tochter?«, fragte Judith abwartend liebenswürdig. Sie wollte keine Angriffsfläche bieten.
Irmingard überging die Frage und fuhr Judith an: »Wenn mein Vater und mein Onkel morgen verurteilt werden, wirst du es bedauern, einem Sohn und einer Tochter das Leben geschenkt zu haben! Ich werde nicht ruhen, bis ich dich und deine Brut vernichtet habe! Das schwöre ich dir!«
Trotz des Schrecks, der ihr in die Glieder gefahren war, mühte sich Judith, ruhig zu bleiben.
»Warum drohst du mir? Zumal dein Mann auch noch Karls Pate ist! Und verrate mir doch, wie ich verhindern kann, dass der Reichstag deinen Vater und deinen Ohm wegen Pflichtvergessenheit verurteilt – darauf habe ich keinen Einfluss!« Und deinen Einfluss, liebe Irmingard, dachte sie, werden wir so schnell wie möglich beschneiden! Jetzt ist Schluss mit all der Rücksichtaufnahme auf Lothar und dich! »Vielleicht solltest du unseren großen Helden und deinen ganz besonderen Freund Bernhard bitten, ein gutes Wort für deinen Vater einzulegen«, bot sie gelassen an.
»Wessen ganz besonderer Freund er ist, wird der Hof bald erfahren!«, schnaubte Irmingard. »Und dann gnade dir Gott, du verlogenes Weib! Seine Patenschaft wird Lothar aufkündigen! Du hast ihn damit hereingelegt, wie du den Kaiser bei der Brautschau hereingelegt hast. Wie du den ganzen Hof mit deiner Zauberei hereinlegst, damit alles nach deinem Willen geht.«
Angeekelt musterte Irmingard die einstige Freundin und fuhr fort: »Und deinen Willen kenne ich! Du bereitest alles vor, um deinen Sohn zum Kaiser zu machen, die Ordinatio imperii für ungültig zu erklären und Lothar um sein Recht zu betrügen!«
»Das ist nicht wahr«, stieß Judith müde aus, aber Irmingard war nicht gekommen, um sich Rechtfertigungen anzuhören. Sie erhob sich mühsam.
»Wir haben mächtige Verbündete«, fauchte sie, »die nicht länger zusehen wollen, wie dieser Hof verludert, wie unnütze Heerzüge veranstaltet werden, wie der Kaiser von unfähigen Beratern beeinflusst wird – und wie du ihn mit Liebestrünken willenlos machst! Des Kaisers Herrin hat schon zu lange bestimmt, was an diesem Hof geschieht!«, rief sie, schon an der Tür stehend.
Des Kaisers Herrin. Das Echo von Giselas Worten verschlug Judith die Sprache. Bisher hatte sie Irmingards verletzten Stolz nachsichtig belächelt; mit einem Schlag aber begriff sie, dass er das Raubtier losgelassen hatte, das ihre kleine Familie zu verschlingen drohte.
»Ha!«, rief Irmingard, als sie die Tür aufriss, »du glaubst, Ludo als Ehemann deiner Schwester zum Verbündeten zu haben? Irrtum, meine Liebe! Hemma hasst dich noch mehr als Adelheid mich. Sie ist auf unserer Seite.« Schon im Gang stehend, schleuderte sie noch eine letzte Bemerkung hinterher: »All deine Zauberkunst wird dir nichts helfen – die Zukunft gehört meinen Söhnen, nicht deinem Karl! Wisse, Judith, die ganze Welt ist gegen euch!«
Sie wandte sich ab, schritt davon und bedauerte sehr, ihrem Vater nicht erzählen zu können, wie sie die Kaiserin in die Schranken verwiesen hatte. Er würde sie windelweich schlagen, wenn er wüsste, dass sie trotz seines Verbots Judith aufgesucht hatte.
Die ganze Welt vielleicht nicht, dachte Judith, als sie sich langsam an der Stelle niederließ, wo Irmingard soeben noch ihre Kriegserklärung verkündet hatte, aber zu viele einflussreiche Menschen. Ihr dämmerte, dass es längst nicht mehr nur um Karls Ausstattung, um Machtanspruch und Sicherung der Zukunft ging. Jetzt ging es ums nackte Überleben. Irmingard hätte ihre Feindseligkeiten nie so unverhohlen ausgestoßen, wäre sie sich nicht mächtigen Beistands sicher gewesen. Judith stützte den Kopf in die Hände. Schnelles Handeln war gefragt.
Als Erstes mussten Lothars wichtigste Ratgeber so schnell wie möglich entmachtet und Lothar selbst sehr nachdrücklich in seine Schranken verwiesen werden. Seit Jahren hatte sich Judith immer wieder bemüht, ihn in alle
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