Die Welle
so. Oder haben Sie etwas anderes gehört?«
Ben wusste, dass er ihn beruhigen musste. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, ich habe nichts gehört.«
Der Direktor nickte. »Ich bin ganz Ohr, Ben.«
Ben atmete tief und fing an: »Es begann vor einigen Tagen in meinem Geschichtskurs für Fortgeschrittene. Wir haben uns einen Film über die Nazis angesehen, und ...«
Als er seinen Bericht beendet hatte, bemerkte Ben, dass Direktor Owens nicht mehr so fröhlich wie zuvor aussah, aber auch keineswegs so unangenehm berührt, wie Ben befürchtet hatte. Der Direktor nahm die Pfeife aus dem Mund und klopfte sie im Aschenbecher aus. »Ich muss sagen, das ist ungewöhnlich, Ben. Sind Sie sicher, dass die Schüler dadurch im Stoff nicht zurückbleiben?«
»Im Gegenteil, sie sind eher voraus«, antwortete Ben. »Aber es gibt doch auch Schüler außerhalb der Klasse, die an der Welle beteiligt sind«, bemerkte der Direktor.
»Aber es hat keine Klagen gegeben«, versicherte Ben. »Tatsächlich sagte mir Christy, dass sie in ihren Klassen sogar eine Verbesserung bemerkt hat.« Das war zwar eine leichte Übertreibung, wie Ben genau wusste, aber Ben hielt sie für nötig, weil er fürchtete, dass Owens die Welle überbewertete.
»Immerhin, Ben, diese Grundsätze und diese Grüßerei, das stört mich alles ein bisschen.«
»Das ist absolut kein Grund zur Beunruhigung«, versicherte Ben. »Das gehört einfach zum Spiel, und außerdem, Norm Schiller ...«
»Ja, ja, ich weiß«, unterbrach ihn Owens. »Er war gestern bei mir und hat von der Welle nur so geschwärmt. Er sagt, seine Footballmannschaft sei wie umgekrempelt. Wenn man ihn reden hört, sollte man meinen, dass unsere Schulmannschaft künftig alle Pokale gewinnt. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn sie am Samstag die Mannschaft aus Clarkstown schlagen würde. Aber das ist nicht meine Sorge, Ben. Ich denke an die Schüler. Diese Welle ist in ihrem Ausgang zu unsicher, meine ich. Natürlich weiß ich, dass Sie keinerlei Regeln verletzt haben, aber es gibt auch Grenzen.«
»Das ist mir klar«, versicherte Ben. »Sie müssen verstehen, dass dieses Experiment gar nicht weiter gehen kann als ich es zulasse. Die ganze Grundlage der Welle ist die Idee einer Gruppe, die bereit ist, ihrem Führer zu folgen. Und solange ich damit zu tun habe, kann ich versichern, dass die Sache mir nicht außer Kontrolle geraten wird.«
Direktor Owens stopfte seine Pfeife neu und zündete sie an. Für einen Augenblick verschwand er hinter einer dichten Rauchwolke, während er über Bens Worte nachdachte. »Also gut!«, sagte er endlich. »Um ganz offen zu sein: Diese Geschichte ist so anders als alles, was ich bisher hier erlebt habe, dass ich nicht recht weiß, was ich davon halten soll. Ich sage nur, wir müssen die Entwicklung genau im Auge behalten, Ben. Und halten Sie auch die Ohren offen! Vergessen Sie nicht, Ben, an diesem Experiment, wie Sie es nennen,sind junge, beeindruckbare Menschen beteiligt. Manchmal vergessen wir, dass sie jung sind und noch nicht die Urteilsfähigkeit entwickelt haben, die sie hoffentlich einmal auszeichnen wird. Manchmal treiben junge Leute die Dinge einfach zu weit, wenn man sie nicht im Auge behält. Sie verstehen, was ich meine?«
»Vollkommen.«
»Und Sie versprechen mir, dass ich hier nicht demnächst eine ganze Parade von Eltern haben werde, die mir vorwerfen, dass wir ihre Kinder hier auf irgendeine Weise indoktrinieren?«
Ben nickte.
Als Laurie Saunders am nächsten Tag in das Redaktionsbüro kam, fand sie auf dem Fußboden einen weißen Umschlag, den jemand am Spätnachmittag oder am frühen Morgen unter der Tür hindurchgeschoben haben musste. Laurie hob ihn auf und schloss die Tür hinter sich. Im Umschlag fand sich ein handschriftlicher Bericht, an dem eine Notiz hing. Laurie las sie:
Mit gerunzelter Stirn wandte Laurie sich dem Bericht zu. Als Überschrift hatte der anonyme Schreiber gewählt:
Laurie faltete die Blätter zusammen und schob sie in den Umschlag zurück. Ihre eigenen Gedanken über die Welle klärten sich allmählich.
Auf dem Rückweg vom Büro des Direktors sah Ben mehrere Schüler, die in der Halle eine große Fahne mit dem Zeichen der Welle aufhängten. Es war der Tag, an dem sich der Fanklub versammelte, nein, die Welle, musste Ross seine Gedanken verbessern. Es waren jetzt noch mehr Schüler als vorhin auf dem Gang und in der Halle, und es kam ihm vor, als müsse er unaufhörlich
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