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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Erfahrungen der letzten paar Stunden ein, auf die ich gerne verzichtet hätte.«
    Munk rührte sich nicht.
    »Ich würde euch in nur noch größere Gefahr bringen, weihte ich euch in alles ein.« Der Geisterhändler erhob sich. »Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem ihr alles begreifen werdet. Aber nicht hier, nicht heute Nacht. Das Mare Tenebrosum ist näher, als wir alle geahnt haben. Der Mahlstrom dreht sich. Es ist nicht gut, allzu lange über diese Dinge zu sprechen, ohne zu wissen, wie weit seine Sinne reichen.« Er trat zwischen den beiden hindurch, sein schwarzes Gewand streifte Jollys Wange wie ein Eiswind. »Legt euch in eure Kojen. Ruht euch aus, solange ihr könnt.«
    Munks Augen sprühten Funken, doch er blieb sitzen. Jolly dagegen konnte in ihrem Zorn nicht an sich halten. Sie sprang auf und packte den Geisterhändler am Arm. Ihre Hand zuckte sogleich zurück, trotzdem schlug einer der Papageien aufgebracht mit den Flügeln. Der andere stieß ein schrilles Kreischen aus, das in ihren Ohren schmerzte.
    »Psst«, machte der Händler beruhigend zu den Tieren, blieb stehen, drehte sich aber nicht zu Jolly und Munk um. Sein Rücken ragte vor ihnen empor wie der Turm einer schwarzen Kathedrale.
    »Es tut mir Leid«, sagte er, »und das ist die Wahrheit. Ich bin nicht die Ursache für das, was geschehen ist, aber ich hätte es vorhersehen müssen.« Nun wandte er sich doch um, aber seine Stimme wurde leiser, als verlöre sie sich im Schatten seiner Kapuze.
    »Dinge haben sich ereignet, die vielleicht hätten verhindert werden können. Das werde ich nicht noch einmal zulassen. Der Mahlstrom ist erwacht. Und die Quappen haben viel früher an Bedeutung gewonnen, als wir alle gehofft hatten.«
    Hugh stieß ein scharfes Fauchen in Jollys Richtung aus, aber der Händler besänftigte ihn, indem er über das schwarze Gefieder strich.
    »Verlust, Verantwortung und Schuld«, sagte er noch einmal. »Jeder zahlt auf seine Weise, glaubt mir.«
    Damit ließ er sie stehen und ging unter Deck.
    Jolly starrte ihm hinterher, als könnte sie ihn allein durch ihren Blick zurück ins Freie zerren. Als sie sich, noch immer wütend, zu Munk umwandte, überraschte er sie mit einer erstaunlichen Ruhe auf seinen Zügen.
    »Du kennst ihn nicht«, sagte er. »So ist er immer.«
    »Kennst du ihn denn?«
    Er zögerte. »Jedenfalls habe ich ihn schon früher so reden hören. So ist er eben.«
    Sie schnaubte wütend, dann ließ sie sich Munk gegenüber im Schneidersitz auf Deck nieder. »Ich frage mich, warum er zugestimmt hat.«
    »Wozu?«
    »Mich… uns nach New Providence zu bringen. Doch sicher nicht nur, um mir einen Gefallen zu tun. Bannon ist ihm völlig egal.«
    »Vielleicht gibt es dort etwas, woran er selbst interessiert ist?«
    »Er redet davon, dass er uns nicht in Gefahr bringen will - und dann willigt er einfach so ein, eine Insel anzusteuern, die jeden Tag von der spanischen Armada angegriffen werden könnte? Und was soll dieses ganze Gerede von Göttern und Schuld und Verantwortung und all diesem Zeug?«
    Munk zuckte die Achseln, dann streckte er einen Arm aus und nahm ihre Hand. »Was immer passiert - wir bleiben zusammen, ja?«
    Es klang wie eine Bitte, aber war da nicht auch die Spur einer Forderung in seinem Tonfall?
    »Ich will zurück zu den Piraten«, sagte sie fest.
    »Und ich werde Bannon und die anderen finden, das schwöre ich. All dieser Blödsinn über das Mare Tenebrosum und irgendeinen Mahlstrom… das geht mich nichts an.«
    »Jolly! Wenn dieses Vieh, das meine Eltern - wenn es wirklich von diesem Mahlstrom geschickt worden ist, dann muss ich noch mehr darüber wissen. Dann muss ich alles darüber wissen.« Seine Augen blitzten.
    Jolly legte unwillkürlich ihre Hand auf die seine. Sie hatten beide einen Verlust erlitten, und sie waren in ihrer Trauer allein. Vielleicht würde es tatsächlich einfacher werden, wenn sie sich zusammentaten.
    Aber wollte sie wirklich zu einem Teil seiner Rache werden? Und außerdem: Wie realistisch war es für einen vierzehnjährigen Jungen, es mit Mächten wie denen des Mare Tenebrosum aufzunehmen?
    Herrgott, wie realistisch war es, Bannon und die anderen wieder zu finden?
    Kurz entschlossen verstärkte sie den Griff ihrer Hand. »Wenn ich es schaffe, etwas herauszufinden - über Captain Bannon, meine ich - dann helfe ich dir danach.«
    Munk sah sie an und nickte.
    Stumm schlossen sie einen Pakt, dessen Tragweite sie beide noch nicht abschätzen konnten. Dennoch schien es das

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