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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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etwa?«
    Jolly beachtete ihn nicht. »Dann verschwinde und tu, was du versprochen hast«, sagte sie zu dem Piraten. Sie warf den Dolch in die Luft, fing ihn geschickt an der Spitze auf und schleuderte ihn gezielt über die Gasse hinweg. Vibrierend blieb er in der Mitte eines Fensterkreuzes stecken. Munks Augen wurden noch größer.
    Der Pirat verschwand wortlos im Inneren der Schänke. Lärm und Gestank drangen ins Freie, als er die Tür aufstieß und hinter sich wieder schloss.
    »Bist du jetzt völlig -«, begann Munk, wurde aber unterbrochen, als Jolly ihn am Arm packte und mit sich davonzog.
    »Weg hier! Schnell!«, rief sie ihm zu, und dann rannten sie gemeinsam die Gasse hinunter, zwischen schmutzigen Männern und leicht bekleideten Frauen hindurch, durch mehrere Torbögen und Schneisen, die mancherorts kniehoch mit Müll gefüllt waren. Der Gestank, der über der ganzen Ansiedlung lag, war entsetzlich, und doch nahm Jolly ihn kaum wahr.
    Nach einigen Minuten hielt sie an. Munk kam atemlos neben ihr zum Stehen.
    »Was sollte das denn?«, fragte er aufgebracht. Sein Atem ging schnell und abgehackt. »Dieses ganze Theater hätte uns Kopf und Kragen kosten können.«
    »Schon möglich - falls Kenndrick uns fängt. Wird er aber nicht. Er hat sicher eine Menge Spaß, wenn dieser Schwachkopf ihm erzählt, was passiert ist. Und falls der Wächter zusammen mit seinen verlausten Freunden nach uns sieht . nun, wir sind ja fort, nicht wahr?«
    »Und warum dann das alles?«
    »Ich hab erfahren, was ich wissen wollte. Kenndrick wird kaum bewacht, er fühlt sich in der Fetten Henne rundherum sicher.« Ihr Grinsen wurde breiter.
    »Schlecht für ihn. Gut für mich.«
    »Du kannst doch nicht . Nein, so verrückt bist du nicht.«
    Jolly lachte. »Ich werde Seiner Majestät heute Nacht einen Besuch abstatten. Und dann werde ich herausbekommen, ob er etwas von der Falle für die Maddy wusste.«
    »Du bist irre!« Munk schlug sich die Hand vor die Stirn und drehte sich einmal auf der Stelle im Kreis.
    »Vollkommen wahnsinnig!«
    Sie winkte ab. »Ich bin zwischen diesem Gesindel groß geworden. Kenndrick ist ein Bastard und ein Mörder, aber wenn er etwas weiß, wird er es mir sagen - vorausgesetzt, ich bringe die richtigen Argumente mit.«
    »Nicht zufällig messerscharfe Argumente?«
    »Zum Beispiel.«
    Munks sonnengebräuntes Gesicht war blass wie Kreide geworden. »Du hast echt den Verstand verloren! Das war alles zu viel für dich. Der Schiffbruch, die Geister, der Acherus…«
    Jolly strahlte. »Ich hab mich seit langem nicht mehr so wohl gefühlt.«
    »Das hab ich befürchtet.«
    »Du wolltest doch Abenteuer erleben, oder?« Sie gab ihm übermütig einen Kuss auf die Wange. »Na ja, jetzt steckst du eben schon mittendrin.«
    Während das namenlose Eiland, auf dem Munk mit seinen Eltern gelebt hatte, am östlichen Rand der Bahamas lag, ein letzter Außenposten vor dem riesigen, menschenleeren Atlantik, befand sich New Providence im Zentrum der Inselgruppe. Es war eine kleine Insel, oval von West nach Ost gestreckt, mit nur einem Hafen an seiner Küste. Zwar war Port Nassau offiziell eine englische Kolonie, doch die Statthalter des Britischen Königreiches verdienten sich ein stolzes Zubrot, indem sie die Piraten und Hehler gewähren ließen. Man erzählte sich, ein englischer Gouverneur auf der Insel brächte es -statt der mageren dreißig Pfund im Jahr, die ihm seine Regierung zahlte - auf ganze vierzigtausend Pfund, wenn er mit den Freibeutern Geschäfte machte und einen Teil ihrer Gewinne kassierte.
    So thronte die alte Festung der britischen Kolonialherren zwar hoch und weithin sichtbar über Port Nassau, doch beeindrucken konnte sie längst keinen mehr. Kenndrick war der wahre Herrscher der Insel, nicht der englische Gouverneur, der sich nur selten außerhalb der Festungsmauern zeigte und seine Tage mit Prasserei, mit Wein und mit Frauen verbrachte, die ihm von den Piraten zugeführt wurden.
    Port Nassau bot alle Vorzüge, die sich die Freibeuter wünschen konnten. Der Hafen war tief genug für ihre Schaluppen und Brigantinen, aber zu flach für die schweren Kriegsschiffe der Marine. Von den umliegenden Bergen aus hatte man eine weite Sicht über die See, und Angreifer konnten sich nicht unbemerkt nähern. In den dichten Wäldern der Insel gab es im Übermaß Holz zum Bau neuer Schiffe, Tropenobst und wilde Schweine; ganz zu schweigen von den Köstlichkeiten, die man in diesen Breiten aus dem Ozean zog, den schmackhaften

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