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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Kanten und Absätze.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«, sagte der Geisterhändler über die Schulter, aber Jolly fand keine Antwort. Beeindruckend schien ihr das falsche Wort zu sein. Aelenium war viel mehr als das, ein Wunder, ein Spektakel, etwas ganz und gar Unglaubliches.
    Und noch etwas fiel ihr auf: Über den Türmen der Stadt, vor dem wolkenlosen Blau des Himmels, zogen geflügelte Wesen ihre Bahnen - mächtige Rochen, die sich durch die Luft bewegten wie ihre kleineren Artgenossen durch die Tiefen des Meeres. Auf jedem dieser Flugrochen saß ein Reiter, Soldaten der Stadt.
    Die Seepferde ließen die Heimkehrer am Rand einer Seesternspitze absitzen. Selbst den Gardisten war anzusehen, dass der lange Ritt sie zermürbt hatte. Walker sprang aus dem Sattel und wollte zu Soledad eilen, um ihr herabzuhelfen - doch seine Knie gaben nach. Der Länge nach fiel er zu Boden. Einige der Reiter lachten, aber Soledad warf ihm einen mitfühlenden Blick zu: Sie wusste, dass es ihr ähnlich ergehen würde, wenn sie versuchte, nach den Tagen im Sattel wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
    Jemand hob Jolly herunter und setzte sie auf einen Korallensockel. Griffin wurde zu ihr gebracht, seine Hand tastete nach ihrer, aber keiner von beiden sprach ein Wort.
    Ganz in der Nähe lag die Carfax vor Anker, von der Schlacht übel mitgenommen. Überall an ihrem Rumpf und in der Takelage waren Zimmerleute und Schiffsbauer beschäftigt, die Hand in Hand mit der nebelhaften Geisterbesatzung der Schaluppe arbeiteten.
    Von der Carfax blickte Jolly staunend auf die Stadt. Es kam ihr vor, als sei ein Märchen wahr geworden.
    Zwei Vögel flatterten aus dem Dächermeer Aeleniums herab und ließen sich auf den Schultern des Geisterhändlers nieder. Lachend begrüßte er die beiden pechschwarzen Papageien. Hugh und Moe folgten ihm für gewöhnlich auf Schritt und Tritt; merkwürdig, dass sie ihn nicht begleitet hatten. Hugh hatte gelbe, Moe feuerrote Augen, und wer ihnen gegenüberstand, erkannte schnell, dass beide über eine rätselhafte Intelligenz verfügten.
    Neue Gesichter tauchten rund um Jolly auf. Manche betrachteten sie neugierig, einige flüsterten Sachen wie »Ist sie das?« und »Ein wenig schmächtig, oder?«. Jolly hörte kaum hin, und wenn doch, dann tat sie, als bemerke sie nicht, wie unhöflich man sie unter die Lupe nahm und über sie sprach, als wäre sie gar nicht anwesend.
    Aus dem Gedränge löste sich mit mächtigen Schritten und lautstarken Flüchen eine hoch gewachsene, breitschultrige Gestalt mit dem Kopf eines Hundes.
    Buenaventure, der Pitbullmann, schlackerte mit seinen abgeknickten Ohren, dann verzogen sich seine Lefzen zu einem zahnreichen Grinsen. Er packte Walker, dem man mittlerweile auf die Beine geholfen hatte, umarmte ihn stürmisch und schlug ihm so heftig auf den Rücken, dass der Captain beinahe abermals zusammensackte. Dann entdeckte er Jolly, stieß ein erleichtertes Jaulen aus und nahm auch sie in seine Arme.
    »Bin verdammt froh, dass du wieder bei uns bist, kleine Jolly! Verdammt froh!« Mit seinem Hundelächeln sah er zu Griffin hinüber, der müde zurückgrinste. »Bin auch froh, dass du’s geschafft hast, Rotzbengel.«
    Die beiden schüttelten sich die Hände - Griffins verschwand beinahe vollständig in der Pranke des Pitbullmanns -, dann drehte Buenaventure ihnen demonstrativ den Rücken zu. Er trug einen Rucksack, aus dem der Schädel eines bizarren Wesens blickte, halb Raupe, halb Käfer, aber so lang wie der Arm eines Menschen: der Hexhermetische Holzwurm. Unter einem Hornschild, der den größten Teil seines Kopfes einnahm, klappte eine Mundöffnung auf.
    »Mylady Jolly«, verkündete das Wesen salbungsvoll (so hatte er sie noch nie genannt), »ich schätze mich überglücklich, dich und deinen tapferen Begleiter wiederzusehen.«
    »Tapfer?«, fragte Griffin stirnrunzelnd. Vom Hexhermetischen Holzwurm, dem Meister der zehntausend Flüche und noch mehr Beleidigungen, waren sie wahrlich andere Töne gewohnt.
    »Ich heiße euch in Aelenium willkommen«, fuhr der Wurm unbeeindruckt fort, »und möchte die Gelegenheit nutzen, ein paar bescheidene Verse zum Besten zu geben, die ich eigens zu eurer Ankunft mit poetischem Eifer verfasst habe.«
    »Uhh«, machte Jolly.
    »Jetzt gleich?«, fragte Griffin.
    Der Holzwurm hüstelte vernehmlich und wollte gerade beginnen, als Walkers flache Hand auf den Hornschild fiel.
    »Halt!«, sagte der Captain, der sich mit zittrigen Beinen herangeschleppt hatte.

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