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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wir?«, fragte sie und fürchtete sich schon vor Empfängen unter Korallenkuppeln, vor weisen Männern und Frauen, die sie begrüßten, als hinge tatsächlich das Schicksal der Welt von ihr ab.
    »Ich habe angenommen, dass ihr euch erst einmal ausruhen wollt«, sagte der Geisterhändler. »Deshalb wird man euch zunächst Gemächer zuweisen. Schlaft ein paar Stunden. Dann sehen wir weiter.«
    Gemächer. Jolly nickte gedankenverloren. Sie stellte sich Munk vor, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte: das Gesicht vom Fieber gerötet, über seine Sammlung von Muscheln gebeugt, die er zu immer neuen Mustern anordnete, um daraus Magie entstehen zu lassen.
    Wie besessen, dachte sie, und ihr war gar nicht wohl bei dem Gedanken.
    Ich bin nicht wie er.
    Ich werde niemals wie Munk sein.
    Sie musste lange geschlafen haben, denn als sie aufwachte, lag ihre Kleidung gewaschen und getrocknet auf einem Hocker neben dem Bett. Nur ihre Leinenhose hatte man durch eine lederne Hose ersetzt, erstaunlich leicht und angenehm zu tragen. Vor dem hohen Spitzbogenfenster herrschte Dämmerlicht, aber ob es Morgen oder Abend war, vermochte sie nicht zu sagen.
    Ganz egal - Hauptsache, sie war ausgeschlafen. Der Geisterhändler hatte ihr irgendeinen widerlichen Kräutersud eingeflößt, bevor sie sich hingelegt hatte. Und ob sie es nun dem rätselhaften Trank oder den Stunden der Ruhe zu verdanken hatte, fest stand, sie fühlte sich frisch und bereit für eine Entdeckungsreise. Lediglich ihr Hinterteil tat von dem langen Ritt immer noch weh, und als sie in einen Spiegel blickte, entdeckte sie dort blaue Flecken so groß wie Kokosnüsse.
    Wenig später verließ sie ihren Schlafraum: eine Kammer, viel höher als breit, mit einer schimmernden Gewölbedecke, durch die sich ein rosafarbenes Flirren zog, das nur von bestimmten Stellen des Zimmers aus sichtbar wurde. Die Tür war aus Holz, wie auch alle Möbel, was die wundersame Umgebung ein wenig wirklicher werden ließ. Hier lebten Menschen, keine Engel oder Feen. Menschen aus aller Herren Länder, die es aus den wahnwitzigsten Gründen nach Aelenium verschlagen hatte.
    Griffin war in der Kammer nebenan untergebracht, aber als sie klopfte, erhielt sie keine Antwort. Sicher schlief er noch.
    So machte sie sich allein auf den Weg durch die Stadt und befolgte dabei die Anweisung des Geisterhändlers, nicht weiter nach oben zu steigen, sondern an Kreuzungen und Gabelungen immer die abschüssige Richtung einzuschlagen - auf diese Weise könne man nahezu sicher sein, sich in Aelenium nicht zu verirren, hatte er gesagt.
    Jolly fand den Rat zwar merkwürdig, vergaß aber bald, darüber nachzudenken, denn der Anblick der Stadt nahm sie völlig gefangen. Zum einen stellte sie fest, dass Aelenium keineswegs die kompakte Masse war, als die es von weitem erschien. Tatsächlich waren die meisten Häuser, selbst der Palast, in dem sie geschlafen hatte, eher klein und filigran. Dahinter, dazwischen, oft darunter oder gar auf bebauten Brücken darüber verlief ein Irrgarten aus Gassen, Wegen und Straßen. Und so wandelte man man selbst bei kurzen Wegstrecken meist unter freiem Himmel. Eine Vielzahl unterschiedlichster Düfte lag in der Luft. Jollys Weg führte sie über Märkte mit frischem Obst, an Fenstern vorbei, aus denen zarte Parfümgerüche strömten, oder einfach nur auf Balustraden hoch über dem Meer, auf denen sie den Salzduft der See in sich aufsog, weil ihr klar wurde, wie lange sie ihn nicht mehr bewusst wahrgenommen hatte.
    Die Bewohner Aeleniums unterschieden sich deutlich von dem Gesindel der Hafenstädte. Nicht dass dieses Gesindel Jolly je etwas ausgemacht hätte, schließlich gehörte sie selbst dazu. Aber sie konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass hier alles ein wenig geordneter und angenehmer war als in den verdreckten Gassen Port Nassaus oder den heruntergekommenen Vierteln der jamaikanischen Hafenlöcher.
    Zum einen lebten offenbar nicht allzu viele Menschen in Aelenium, gewiss nicht mehr als ein paar tausend. Sie sah nur wenige Männer und nahm an, dass die meisten auf die Verteidigung der Stadt vorbereitet wurden. Frauen und Kinder waren einfach, aber reinlich gekleidet. Und wenn es überhaupt etwas gab, das dem Eindruck einer fantastischen Idylle abträglich war, dann war es die Tatsache, dass die meisten Menschen ihre Tagesgeschäfte im Freien so schnell wie möglich und mit gehetztem Gesichtsausdruck erledigten.
    Sie schienen zu wissen, wie es um die Seesternstadt stand. Der bevorstehende

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