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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Krieg gegen den Mahlstrom und die Mächte des Mare Tenebrosum war in den Korallenhäusern und Gassen offenbar kein Geheimnis. Und so war diese Stadt trotz all ihrer Schönheit und des äußerlichen Friedens doch dabei, sich auf eine Belagerung vorzubereiten.
    Was eine Niederlage bedeutete, musste allen bewusst sein: die völlige Zerstörung Aeleniums und der Tod aller Bewohner. In Anbetracht dessen fand Jolly es erstaunlich, dass immer noch eine Atmosphäre der Ruhe und Harmonie herrschte. Dann aber erinnerte sie sich an Port Nassau und die Bedrohung durch die spanische Armada: Auch dort hatte sich kaum jemand um die Gefahr gekümmert, alle waren weiter ihren zweifelhaften Geschäften nachgegangen, die Piraten, die Händler, die Dirnen. Warum sollte es hier anders sein? Die Einwohner Aeleniums mochten gesitteter und ein wenig feiner sein, aber womöglich waren sich alle Menschen ähnlich, wenn sie einem unausweichlichen Schicksal ins Auge sahen.
    Jolly hatte einen Kloß im Hals, während sie über die Brücken, Treppen und Terrassen Aeleniums streifte. Allmählich verstand sie, warum der Geisterhändler alles daransetzte, um diesen Ort zu retten. Der Händler war alt, viel älter, als sie alle erfassen konnten, und es war eine Aura des Übermenschlichen um ihn, die Jolly manchmal Angst machte. Hatte er in dieser Stadt seinen Frieden gefunden - nur um diesen Frieden jetzt durch die Meister des Mare Tenebrosum bedroht zu sehen? War er deshalb bereit, jedes erdenkliche Opfer für einen Sieg über den Mahlstrom zu bringen?
    Sie schauderte bei diesem Gedanken und schloss ihre Hände ein wenig fester um das Geländer des Balkons, von dem aus sie hinab in die Tiefe blickte. Unter ihr, jenseits der Dächer und Türme und Minarette, lagen vier der gewaltigen Seesternspitzen und hoben sich im Abenddunst wie weiße Finger von der dunklen Ozeanoberfläche ab. Segelboote und Hippocampen kreisten um die schwimmende Stadt, und überall in den Lüften waren die mächtigen Rochen mit ihren bewaffneten Reitern, immer wachsam, immer auf der Suche nach dem kleinsten Hinweis auf einen Angriff.
    Der Wind pfiff scharf durch die engen Korallenspalten und säuselte wie bizarres Orgelspiel. Jolly strich ihr Haar zurück und hob ihren Blick gedankenverloren von den Wellen zu der Nebelwand, die als schützender Ring um Aelenium lag. Dunstschlieren waberten und wogten, bildeten märchenhafte Formen, manchmal auch bedrohliche Fratzen, die nur derjenige erblickte, der lange genug hinsah.
    Du grübelst, sagte sich Jolly. Und du verrennst dich in Schwarzseher ei. Noch ist Aelenium nicht verloren. Noch gibt es eine Möglichkeit, diese Stadt zu retten.
    Es hängt an dir, flüsterte die Stimme in ihrem Inneren. Es liegt alles in deiner Hand.
    Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie den Gedanken wie eine Fliege verscheuchen, doch es half nichts. Der Geisterhändler hatte seine Botschaft zu tief in ihren Verstand versenkt: Nur die beiden Quappen konnten Aelenium vor dem Untergang bewahren. Und mit der Stadt die ganze Karibik, all das, was Jolly kannte und liebte.
    »Jolly!« Ein Ruf ließ sie aufschrecken. Sie war beinahe dankbar dafür, auch wenn ihr Herz für einen Moment aussetzte.
    »Jolly, hier oben!«
    Sie blickte auf und sah über sich einen gewaltigen Schatten, dreieckig wie die Lanzenspitze eines Riesen, mit Schwingen, die sich bedächtig hoben und senkten, als trieben sie noch immer in den Untiefen der See.
    Majestätisch glitt der Rochen herab, bis seine beiden Reiter auf einer Höhe mit dem Geländer waren, nur durch wenige Schritte völliger Leere von ihr getrennt.
    »Jolly… es geht dir gut, Gott sei Dank!«
    Einer der Reiter war d’Artois, der Hauptmann der Rochengarde und Meister der Hippocampen. Er war mit an der Brücke gewesen, Jolly erkannte ihn. Doch nicht er hatte gesprochen, sondern die schmale blonde Gestalt, die hinter ihm im Sattel saß.
    Jolly atmete auf, ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
    »Munk«, sagte sie erleichtert. »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«

Quappenzauber

    »Komm, steig auf!«
    Munks Gesicht war gerötet, doch jetzt schien die Aufregung der Grund zu sein, kein Fieber und erst recht nicht die vermaledeite Muschelmagie. Sie starrte ihn über den Abgrund hinweg an, als hätte sie ein Gespenst vor sich.
    Tief im Inneren war sie noch immer wütend auf ihn, weil er sie nicht bei ihrer Ankunft begrüßt hatte. Aber wie er da so vor ihr saß, auf dem Rücken dieses Ungetüms und deutlich gesünder als bei

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