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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihrer Trennung vor einer Woche, war sie mehr als gewillt, ihm zu verzeihen.
    Munk hatte beide Eltern verloren, als der Acherus seine Insel heimgesucht hatte. Nun aber konnte er sich offenbar wieder freuen. Die Begeisterung sprühte förmlich aus seinen Augen, und das war ein Fortschritt, auf den Jolly nicht zu hoffen gewagt hatte.
    »Aufsteigen?«, fragte sie mit einem nervösen Lachen.
    »Spinnst du?«
    D’Artois zog am Zügel des Rochens und brachte ihn noch näher an das Geländer. Hinter Jolly, auf einem kleinen Platz zwischen weißen Korallenwänden, wirbelten die Schwingenschläge Stroh und ein paar vertrocknete Blüten auf.
    »Ich kann da nicht aufsteigen«, sagte sie.
    »Sicher kannst du«, sagte der Hauptmann.
    Er stieß einen schrillen Pfiff aus. Jolly bückte sich, als der Rochen über sie hinwegfegte und mit einem stumpfen Geräusch auf den Platz niedersank. Er besaß keine Füße oder Krallen wie Vögel, und Jolly vermutete, dass er für gewöhnlich auf dem Wasser landete. Hier aber lag er einfach auf dem Bauch, ließ die Schwingen flach auf den Boden sinken und wartete geduldig.
    Munk streckte ihr eine Hand entgegen. »Na, komm schon. Wir haben genug Platz für drei.«
    Jolly zögerte noch immer. »Ich weiß nicht.«
    »Die Rochen können bis zu fünf von uns tragen«, sagte d’Artois und lächelte. »Und sie sind sanfte Tiere, viel leichter zu steuern als die Hippocampen.«
    »Mein Hintern tut jetzt noch weh.«
    Munk seufzte. »Du stellst dich doch sonst nicht so an.«
    Jolly warf ihm einen scharfen Blick zu, dann gab sie sich einen Ruck, kletterte vorsichtig über den spitzen Schwanz des Rochens und setzte sich hinter Munk in den Sattel. In einem jedenfalls hatte er Recht: Der Rücken des Rochens bot tatsächlich Platz für weitere Reiter. Für jeden gab es eigene Fuß- und Halteschlaufen, sodass sie sich nicht einmal aneinander festhalten mussten.
    Trotzdem rückte sie für einen Moment ganz nah an Munk heran und umarmte ihn von hinten. »Schön, dich wiederzusehen!«
    Sein Gesicht bekam die Farbe einer reifen Tomate, und sein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen. Er ergriff ihre Hände und drückte sie fest. »Ich hab dich vermisst.«
    »Hey, hey«, rief d’Artois dazwischen. »Ich bin auch noch da!«
    Jolly ließ Munk los und setzte sich auf dem glatten Ledersattel zurecht. Sie schob Hände und Füße in die Schlaufen und konnte ein kurzes Stöhnen nicht unterdrücken, als die blauen Flecken sie schmerzhaft an den Zustand ihrer Kehrseite erinnerten.
    »Bist du bereit?«, fragte der Hauptmann. Jolly nickte. »Gut, dann geht’s los. Haltet euch fest!«
    Er stieß erneut einige Pfiffe aus, und sogleich erhob sich der Rochen mit grazilen Schwingenschlägen ein paar Fuß vom Boden, drehte sich zwischen den Häusern und glitt hinaus in die Leere. Jolly kam es vor, als säße sie bei Flaute in einem Boot, so unmerklich waren die Bewegungen des mächtigen Körpers. Nur an den Beinen spürte sie, dass sich unter der glatten Lederhaut des Tieres armdicke Muskelstränge spannten.
    Die Schwingen hinderten sie daran, unmittelbar in den Abgrund zu blicken. Es war eher, als schwebte sie auf einem fliegenden Teppich dahin. Nur wenn sie über ihre Schulter sah, konnte sie am Schwanz des Rochens vorbei einen geraden Blick in die Tiefe werfen. Allerdings wurde ihr dabei gleich so schwindelig, dass sie rasch wieder nach vorn schaute. D’Artois’ langes Haar wehte fast waagerecht in der Luft, genauso wie ihr eigenes. Der Gegenwind war kühler, als sie erwartet hatte, aber das lag daran, dass die Sonne längst hinter dem Nebel verschwunden war. Nur die oberen Ränder der hellen Luftschichten glühten zart wie zerzaustes Blattgold.
    Die Korallendächer der Stadt blieben hinter ihnen zurück, fünfzig, sechzig Schritt weit. Dann ließ der Hauptmann den Rochen einen Bogen fliegen, der sie in einer Spirale um Aelenium herumführte. Zum ersten Mal bekam Jolly die andere Seite der Seesternstadt zu Gesicht, und so entdeckte sie, dass dort eine der Spitzen fehlte und zwei andere scharfkantig ins Meer abbrachen, als hätte jemand mit einer Riesenfaust darauf eingeschlagen. Die Häuser auf den Überresten dieser Spitzen waren zerstört, die Trümmer rußgeschwärzt, als hätte dort vor nicht allzu langer Zeit ein großes Feuer gewütet.
    »Was ist da unten passiert?«, fragte sie.
    »Mahlstromkreaturen«, entgegnete d’Artois knapp.
    »Ein Angriff, den wir zurückgeschlagen haben.«
    »Niemand spricht hier gerne

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