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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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formvollendet, nicht besonders grazil. Aber es war ein Kopfsprung, immerhin.
    Die Oberfläche raste heran, traf auf ihre Fingerspitzen -und verschlang sie. Sie tauchte unter. Ihr Atem setzte aus. Ein Schrei löste sich aus ihrem Mund, sprudelte als Luftblasen um ihr Gesicht und sauste nach oben davon.
    Um sie herum war Schwärze. Leere. Kälte.
    Sie ertrank.
    Sie konnte schwimmen, gewiss. Aber nicht jetzt. Nicht hier. Nicht im Salzwasser. Das war einfach unmöglich. Sie war doch eine Quappe!
    »Jolly.«
    Munks Stimme. Neben ihr. Im Wasser.
    Wieso hörte sie ihn? Warum sah sie ihn so deutlich?
    Himmel, sie musste das alles träumen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er und nahm ihre Hand. Sie strampelte noch immer hektisch mit den Beinen, aber ganz allmählich beruhigte sie sich und nickte.
    Sie waren nicht an der Oberfläche, sondern unter Wasser. Dennoch bewegten sie sich, als gäbe es gar keinen Widerstand. Sie sanken beide nach unten, ganz allmählich, als trüge sie eine unsichtbare Hand. Aber wenn Jolly ihre Arme und Beine bewegte, war es, als befände sie sich irgendwo an Land.
    Kein Widerstand.
    Was zum Teufel war hier los?
    »Beim ersten Mal bin ich genauso erschrocken wie du«, sagte Munk. Er ließ sich neben ihr abwärts treiben, immer tiefer in den Abgrund der See. Jolly folgte ihm und stellte erstaunt fest, dass sie Munk immer noch deutlich sehen konnte. Dabei mussten sie schon zu weit von der Oberfläche entfernt sein, als dass genug Helligkeit bis hier herdringen konnte. Um sie herum war Schwärze. Es war, als könnte sie mit einem Mal bei völliger Dunkelheit sehen. Wie eine Katze.
    »Man gewöhnt sich daran«, sagte er. »Nein, das stimmt nicht. Eigentlich gewöhnt man sich nicht daran. Aber man wird damit fertig. Im Grunde macht es sogar Spaß.«
    »Warum kann ich dich im Wasser hören?«
    »Weil wir beide Quappen sind.«
    »Und warum bewegen wir uns, als wäre um uns herum Luft, nicht Wasser?«
    »Weil wir Quappen sind.«
    »Und weshalb ertrinken wir nicht?«
    Er öffnete den Mund, aber sie kam ihm zuvor:
    »Weil wir Quappen sind«, sagte sie. »Schon klar.«
    Munk lächelte, seltsam bleich in der Dunkelheit, die aus unbegreiflichen Gründen keine mehr war. Jedenfalls für Quappenaugen.
    »Ist das die einzige Erklärung, die in diesen großartigen alten Überlieferungen steht, von denen d’Artois gesprochen hat?« Sie wollte spöttisch klingen, aber es gelang ihr nicht. Es hatte keinen Zweck, etwas zu verleugnen, das sie selbst in diesem Augenblick erlebte.
    Ihr Hinabsinken in die Tiefe war kein Tauchen. Und das Wasser war auch nicht wie gewöhnliche Luft, denn dann hätten sie jetzt stürzen müssen. Aber sie schwebten, langsam und gelassen, und als Jolly eine Schwimmbewegung in Richtung Oberfläche machte, trieb sie wieder ein Stück aufwärts. Munk blieb bei ihr, hielt sie aber zurück, bevor sie noch weiter aufsteigen konnte.
    »Ich war unten«, sagte er.
    »Am Meeresgrund?«
    Er nickte. »Nicht unter Aelenium, hier ist es zu tief. Jedenfalls für den Anfang. Aber d’Artois hat mich mit einem Seepferd in eine Gegend gebracht, in der das Wasser seichter ist. Zweihundert oder dreihundert Fuß.«
    »Du warst zweihundert Fuß unter der Meeresoberfläche?« Sie riss die Augen weit auf und bemerkte erst jetzt, dass das Salzwasser darin nicht brannte.
    »Ja. Und es war… toll. Irgendwie. Aber auch unheimlich.«
    »Wegen der Klabauter?«
    »Nein, nicht deswegen. Ich hab gar keine gesehen. D’Artois hatte wohl eine Gegend ausgesucht, die relativ sicher ist. Und es waren Taucher dabei. Warte ab, bis du diese Geräte siehst, mit denen sie hier tauchen . Aber egal, ich meine . Na ja, die Landschaft da unten war unheimlich. Pflanzen gibt es nur ziemlich weit oben, aber irgendwann wird es so dunkel, dass dort nichts mehr wächst. Alles ist grau und kahl und irgendwie… traurig. Es gibt zwar Fische, aber sonst nichts.«
    »Und du konntest ganz normal atmen?«
    »Es macht keinen Unterschied. Überhaupt keinen. Wir Quappen können über den Meeresgrund laufen, als würden wir gerade einen Spaziergang an Land machen. Und wir können unter Wasser im Dunkeln sehen. Ein paar hundert Fuß weit, ich hab’s ausprobiert. Es ist so, als wäre es Abend und würde ganz allmählich dunkel, nur dass sich das Licht niemals ändert. Für uns herrscht hier unten ewige Dämmerung.«
    Sie war nicht sicher, ob sie das immer noch faszinierend fand. Vielmehr begann es, ihr Angst zu machen. Allmählich bekam sie eine Ahnung von

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