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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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von dem aus sie einen Kopfsprung hätte wagen können - und ohne den Sprung konnte sie nicht wieder untertauchen. Damit war sie den Reitern ausgeliefert, wer immer sie waren.
    »Jolly?«, rief eine ungläubige Stimme. Und dann, überschnappend vor Freude: »Jolly! Da ist sie! Da drüben ist Jolly!«
    »Soledad?« Sie stürmte den Reitern entgegen. »Walker?
    Seid ihr das?«
    Die Hippocampen kamen so schnell näher, dass Jollys Augen den Bewegungen kaum folgen konnten. Soledad war als Erste neben ihr, brachte ihr Seepferd dazu, tiefer ins Wasser einzutauchen, sodass sich ihr Gesicht auf einer Höhe mit Jollys befand. Mit einem Freudenschrei zog die Prinzessin sie an sich. »Teufel noch mal, Jolly! Wir dachten schon, wir hätten dich verloren!«
    Walker und der Geisterhändler lenkten ihre Tiere an Soledads Seite, und nun erkannte sie, wer hinter dem Captain im Sattel des Hippocampus saß.
    »Buenaventure!« Jolly löste sich von Soledad und rannte zu dem Pitbullmann hinüber, der so erleichtert aussah, dass er wohl am liebsten vom Pferd gesprungen und ihr über das Wasser entgegengelaufen wäre.
    »Jolly! Du lebst! Bei Poseidons Algenbart!« Sie umarmten einander, so gut es eben ging. Der Pitbullmann war so übermütig, dass er sie gar nicht mehr loslassen wollte. Sein bellendes Lachen hallte über das Wasser, und er fletschte die Zähne vor Erleichterung.
    »Gut, dich zu sehen, Jolly«, sagte Walker. Auch er war erleichtert, obwohl dunkle Schatten auf seinen Zügen lagen, Schatten der Trauer und des Verlusts: Sein Schiff, das Schiff seiner Mutter, war zerstört. Die Carfax lag jetzt auf dem Grund des Meeres.
    »Es tut mir Leid«, stammelte Jolly. »Ich… wirklich… ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Ich werd dir später den Hintern dafür versohlen«, sagte Walker düster. Wie betäubt blickte er über die vereinzelten Trümmer, die noch immer auf den Wogen trieben. Dann schüttelte er rasch den Kopf. Er musste sich merklich zusammenreißen. »Aber jetzt-«
    »- sind wir erst einmal froh, dass du am Leben bist«, beendete der Geisterhändler Walkers Satz. Jolly drehte sich zu ihm um. Die Worte der Wasserweberinnen stiegen in ihr empor, als sie ihn über sich auf dem Seepferd sitzen sah, eine düstere Silhouette vor der sinkenden Sonne. Sein Gewand bauschte sich flatternd im Seewind. Über ihm flatterten mit hektischen Flügelschlägen die beiden Papageien.
    Sie straffte ihre Schultern und sah von einem zum anderen. »Ich war dumm. Ich möchte mich bei euch allen entschuldigen und . Wartet! Wo ist der Holzwurm?« Ihr Blick war auf Buenaventures Rucksack gefallen, der flach und leer auf seinem Rücken hing.
    »Oh nein.«
    Der Pitbullmann schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Er hat’s nicht geschafft, Jolly! Ich hab ihn gesucht, gleich nachdem ich über Bord gegangen bin . Aber der Rucksack, er war plötzlich leer. Er muss rausgerutscht sein und .« Er verstummte und senkte den Blick.
    Jolly fuhr herum, um zwischen den Trümmern zu suchen, doch die Stimme des Geisterhändlers hielt sie zurück.
    »Nicht, Jolly! Es ist zwecklos. Wir haben keine Spur von ihm gefunden.«
    Jollys Blick glitt über die See und die treibenden Überreste der Carfax, weit hinaus bis zum Horizont und dem fernen Küstenstreifen.
    Wieder war es Soledad, die als Erste bei ihr war und ihr sanft eine Hand auf die Schulter legte. Aber diesmal sagte die Prinzessin nichts, lauschte nur gemeinsam mit ihr auf das Flüstern der Winde.
    Jolly spürte salzige Tränen auf den Lippen, und ihr fiel zum ersten Mal in ihrem Leben auf, dass Trauer genauso schmeckte wie die See.

Die Flotte der Feinde

    Die Festung des Kanibalenkönigs erhob sich auf einem Berg, dessen eine Hälfte vor langer Zeit ins Meer abgesackt war. So war eine steile Felswand entstanden, die etwa sechzig Fuß tief zum Ozean abfiel und in einem schäumenden Wall aus Gischt endete. Die Winde wehten hier scharf von Nordost und trieben die See unerbittlich gegen die Küste. Überreste des versunkenen Berges ragten als schroffe Klippen aus dem Wasser, von schäumender Brandung umsäumt. Von Norden und Osten aus war es nahezu unmöglich, Schiffe zwischen den Felsen hindurchzumanövrieren. Nur im Westen gab es durch die Riffs eine Passage, die in die flachen Gewässer des Orinoco-Deltas führte.
    An einem Seitenarm des Flusses, unterhalb der Klippenfestung, befand sich eine weitläufige Siedlung aus Hütten und Holzhäusern, deren Ränder zu einer unüberschaubaren Zeltstadt

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