Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
nicht aus dem Sattel zu fallen. Die Wunden in seiner Seite brannten. Als das Tier sich wieder gerade legte und es Griffin gelang, sich unter Schmerzen hinaufzuziehen und mit klopfendem Herzen sein Gleichgewicht wieder zu finden, zerstäubte die Lichtsäule vor seinen Augen in einer Kaskade aus gleißenden Glutpunkten.
Von tief, tief unten drang ein ungeheuerliches Grollen herauf, übertönte gar das Brüllen der Wassermassen und schien gemeinsam mit den Wänden des Mahlstroms zu rotieren, war im einen Augenblick auf dieser, im nächsten schon auf jener Seite. Der Rochen verfiel in Panik, schüttelte sich aber nicht mehr, sondern schoss mit kraftvollen Schwingenschlägen vorwärts, schneller, als Griffin es je bei einem dieser Tiere erlebt hatte. Es suchte sich den kürzesten Weg zum Rand des Mahlstroms, fort von seinem Mittelpunkt und den Schwärmen aus Lichtpunkten, die noch immer dort tanzten und funkelten.
Das Grollen wurde lauter, und plötzlich schien es Griffin, als entferne sich der Rand des Trichters von ihnen, rücke immer weiter fort, so als wollte er verhindern, dass Rochen und Reiter ihn jemals erreichten. Und während zwischen dem Rochen und der Wölbung des Mahlstroms ein bizarrer Wettlauf entbrannte, blickte Griffin über die Schwingen des Tiers hinab in die Tiefe.
Die Dampfwolken stoben auseinander, und mit ihnen die Wassermassen rund um den Schlund im Meer. Der Trichter wurde weiter und breiter, während das bestialische Grollen die Welt erfüllte und längst etwas ganz anderes war als nur der Lärm der tosenden Wasser.
Die Schwingen des Rochens schlugen auf und ab, jetzt schneller und schneller, als wäre das Tier noch immer nicht an den Grenzen seiner Kraft angelangt. Allmählich kam der Rand des Abgrunds näher, jene wirbelnde Schräge, die irgendwann in die Horizontale des Ozeans überging.
Doch bevor sie dort ankamen, sah Griffin noch etwas.
Unter ihm war jetzt kein Wasserdampf mehr. Die Wolken hatten sich verzogen, und die Wände des Trichters glühten aus sich heraus, als wäre das Wasser zu weiß glühender Lava geworden.
Dort unten klaffte ein Schacht aus Wasser, der bis zum Grund des Meeres reichte.
Ihm wurde schwindelig und dann schlecht, aber als er würgte, kam nichts als Galle hoch; kein Wunder, er hatte seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen.
Unter ihm lag der Schorfenschrund.
Sechs Meilen tief und mindestens zwei Meilen breit gähnte der Abgrund. An seinem Boden befand sich eine weiße Fläche, Sand vermutlich, wie ein Stück Wüste inmitten der See. In ihrem Zentrum schimmerte etwas, ein Punkt, der alles Mögliche sein mochte. Viel zu groß für einen Menschen. Vielleicht ein Schiffswrack.
Oder eine geschlossene Muschel.
Der Rochen stieß einen seltsamen Laut aus, ein brummelnder Alarmruf, und einen Moment später erkannte Griffin den Grund.
Der Abgrund schloss sich wieder! Von allen Seiten zugleich tobten die rotierenden Wände des Mahlstroms heran. Schon war der Meeresgrund wieder unsichtbar. Die Wogen kreisten immer schneller, zogen sich zusammen, füllten die Leere mit den Fluten des Ozeans.
»Schneller!«, schrie Griffin in Panik. »Schneller!«
Der Rochen hatte jetzt eine Geschwindigkeit, die fast der eines Seepferdes nahe kam. Seine Schwingen schlugen in einem unerhörten Rhythmus, und sein Herz pumpte so heftig, dass Griffin im Sattel auf und nieder hüpfte.
Sie schafften es.
Irgendwie schafften sie es.
Als sich der Mahlstrom hinter ihnen schloss und eine kolossale Säule aus Wasser in den Himmel stieg, waren sie gerade weit genug entfernt, um nicht von den Fluten erfasst zu werden.
Griffin schloss die Augen und schrie, als das aufgeworfene Wasser in kristallenen Vorhängen um ihn herum vom Himmel stürzte.
Unter ihm wölbte sich die Meeresoberfläche zu einer Flutwelle empor, mehrere hundert Fuß hoch. Für einen Augenblick schien sie beinahe zu erstarren. Dann aber rollte sie in einer Eruption ungeheurer Gewalten ringförmig in alle Richtungen auseinander, um die Ufer der Welt unter sich zu begraben.
Die Stimmen zahlloser Götter wirbelten durch das Bewusstsein des Geisterhändlers, als er das Licht am Horizont entdeckte. Wie ein Finger aus gleißender Helligkeit schoss es über dem Horizont empor und bohrte sich gleich einem glühenden Dolch in das Graublau des Himmels.
Nur für einen Augenblick war der Händler abgelenkt, und die Verbindung zu den Vergessenen wurde gekappt. Ein zorniges Brüllen hob an, drang herüber aus Gefilden, in denen sie
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