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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sonne untergeht.«
    Der Schütze feuerte eine Salve aus mehreren Büchsen in die Tiefe. Als sich der Rauch seiner Waffen verzog, fiel sein Blick auf den Nebel im Norden.
    »Sieh dir das an!«, rief er und klopfte D’Artois auf die Schulter.
    Der Hauptmann folgte seiner ausgestreckten Hand und erkannte, was er meinte. Jenseits des Nebelrings, hoch über seinen zerfransten Dunsträndern, färbte sich der Himmel für einen Augenblick strahlend weiß, als sei irgendwo über dem Atlantik eine zweite Sonne aufgegangen. Dem Licht folgte ein Augenblick trister Dämmerung, ehe ein urweltliches Grollen ertönte wie beim Ausbruch eines Vulkans.
    Dann zerriss etwas Hohes, Graues das Blickfeld des Hauptmanns, als hätte eine Axt den Horizont gespalten. Es war, als hätte jemand die Welt auf den Kopf gestellt: Das Wasser des Ozeans ergoss sich brüllend in den Himmel.
    Soledad hatte längst aufgehört zu zählen, wie viele Pfeile im Körper der fliegenden Schlange steckten. Das Wesen, das einmal der Hexhermetische Holzwurm gewesen war, kämpfte noch immer mit der Rücksichtslosigkeit eines Raubtiers, doch allmählich wurden selbst seine Kräfte von den vielen Verletzungen geschwächt. Gewiss, die Schlange war groß, ihre Bisse und Schläge mit dem Ende ihres Leibes tödlich, doch sie bot auch ein leichtes Ziel für die Pfeile der Kannibalen und Kugeln der Piraten.
    Von ihrem Platz hinter dem Wall, wohin Soledad sich zurückgezogen hatte, um einen Moment auszuruhen, konnte sie deutlich erkennen, dass das geflügelte Reptil aus zahlreichen Wunden blutete, auch dort, wo keine Pfeile zwischen seinen Schuppen steckten. Und so groß die Panik war, die es unter den Angreifern verbreitete, so laut war auch das triumphierende Geschrei, wenn einmal mehr ein Pfeil ins Ziel traf und der Mut und die Entschlossenheit der Invasoren von neuem entfacht wurde.
    Soledad wollte gerade aufspringen, um sich erneut in den Kampf zu stürzen, als mit einem Mal Buenaventure neben ihr war. Seine Zunge hing ihm hechelnd aus der Hundeschnauze. Der gezahnte Säbel hatte mittlerweile mehr Kerben als Sägezacken.
    »Walker ist verletzt!«, rief er ihr zu.
    Ihr Herz hörte beinahe auf zu schlagen.
    »Ich habe ihn vom Wall getragen«, fuhr der Pitbullmann fort, »in ein leer stehendes Haus am Rand des Platzes. Das mit den kleinen Fenstern, da drüben.«
    »Wie schlimm ist es?«
    »Nicht allzu schlimm. Eine Verletzung an der Seite. Und ein tiefer Messerstich im linken Oberarm. Nichts, das einen wie ihn umbringt. Aber er hat viel Blut verloren und kann nicht mehr kämpfen.«
    »Nimm dort oben meinen Platz ein. Ich bin gleich wieder da.« Sie deutete auf eines der Häuser. »Dieses da, ja?«
    Buenaventure brummte zustimmend, dann stürzte er sich mit einem wilden Kriegsschrei ins Gefecht.
    Soledad rannte, so schnell sie konnte, den steilen Platz hinauf. Mehrfach musste sie Verwundeten ausweichen, die vom Wall in die Behelfslazarette getragen wurden. Anfangs war noch häufig Verstärkung über den Platz nachgerückt, doch das war längst vorbei. Jeder, der eine Waffe halten konnte, kämpfte jetzt an vorderster Front.
    Sie erreichte den Eingang des Hauses, stürmte in einen Flur und sah in die offenen Türen rechts und links.
    »Walker?«
    »Soledad?«, ertönte seine Stimme aus dem ersten Stock. »Hier oben! Dieses haarige, stinkende Scheusal von einem Freund hat mich hier abgelegt wie einen alten Mann. Hilf mir, damit ich zurück -«
    Er brach ab, als sie durch die Tür eines Zimmers im ersten Stock geflogen kam, helle Aufregung in ihren Zügen.
    »Verdammt«, sagte er mit schmerzerfülltem Grinsen, »du hast dir Sorgen um mich gemacht!« Er lag auf den Decken, ein einzelnes Kissen unter dem Hinterkopf. Der Rest des Raumes war leer, alle Möbelstücke waren hinausgeschafft worden, um den Wall zu verstärken.
    »Keine Spur«, gab sie zurück, sprang neben ihn und umarmte ihn heftig. »Als er gesagt hat, du wärst verletzt, dachte ich…«
    Er versuchte, sich im Liegen hochzustemmen. »Mir ist nicht passiert. Es macht mich nur krank, hier nutzlos rumzuliegen, während -«
    Der Rest seiner Worte ging in entsetzlichem Getöse unter, das durch die beiden Fenster hereindrang und sogar den Lärm des Schlachtfelds übertönte.
    Soledad sprang auf. »Was zum Teufel…« Sie hörte ihre eigene Stimme nicht mehr, so laut war es mit einem Mal dort draußen. Der Boden erbebte, und dann wurde sie wie von einem Sturmwind von den Füßen geworfen und purzelte mit einem Überschlag

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