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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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werden tiefer! Das heißt, wir bewegen uns immer noch bergab, auch wenn die Spitzen der Felsen scheinbar auf einer Höhe bleiben. In Wirklichkeit aber wachsen sie, während der Meeresgrund weiter sinkt!«
    Er dachte einen Moment lang darüber nach, dann stimmte er ihr zu. Ein erleichtertes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, vermochte seine Züge aber kaum aufzuhellen. Selbst Freude wurde hier unten vom allgegenwärtigen Grau verschluckt.
    Jolly dachte, dass sie jetzt eigentlich hätte beruhigt sein müssen, doch ihr Herzschlag raste noch immer. Was hätte sie für einen Kompass gegeben! Stattdessen mussten sie sich auf die vage Hoffnung verlassen, dass hier unten tatsächlich alle abschüssigen Wege zum Schorfenschrund führten. Sie konnten nur hoffen, dass der Schrund tatsächlich der tiefste Ort in diesen Regionen des Meeresbodens war. Ansonsten wäre all ihre Orientierung dahin.
    Wieder verging lange Zeit, ohne dass einer von ihnen etwas sagte. Jolly beobachtete, dass Munk dann und wann im Schwimmen innehielt und mit einer Hand über die Gürteltasche strich, in der er seine Muscheln aufbewahrte, so als würde er dadurch neue Kraft gewinnen. Heimlich versuchte sie, es genauso zu machen, doch bei ihr bewirkte die Berührung ihrer Muscheltasche überhaupt nichts. Möglicherweise lag das daran, dass sie nie eine so enge Beziehung zu den Muscheln und ihrer Magie aufgebaut hatte wie er.
    »Runter!«, rief er plötzlich und ließ sich schlagartig tiefer sinken.
    Jolly verharrte, schwebte einen Atemzug lang auf der Stelle, dann folgte sie ihm in den Schutz eines Felsens. Sie hatte es auch gesehen, im letzten Moment, bevor sie hinter die Steinkante tauchte.
    Mehrere Lichtpunkte waren vor ihnen im Dunkel erschienen.
    »Sind das… Augen?«, fragte sie heiser.
    Munks Stimme klang belegt. »Keine Ahnung.«
    Sie wagten kaum, die Köpfe über die Kante zu heben, aber schließlich taten sie es doch.
    Die hellen Punkte waren näher gekommen. Anfangs waren es sechs oder sieben, doch je länger sie hinsahen, desto mehr wurden es - fast als schauten sie in einen Sternenhimmel, um mit jeder Minute weitere Gestirne zu erkennen.
    »Falls es Augen sind«, flüsterte Jolly tonlos, »dann sind es jedenfalls eine ganze Menge.«
    »Spinnen haben viele Augen.«
    »Oh, danke, Munk! Vielen Dank!«
    Früher hätte er gelächelt. Heute nicht. Er blickte sie nicht einmal an. Stattdessen hielt er sich starr auf Höhe der Felskante und starrte angespannt darüber hinweg.
    »Das ist ein Fischschwarm«, sagte er nach einer Weile.
    In der Tat handelte es sich bei den Glutpunkten um winzige Fische, von deren Körpern ein beständiges Leuchten ausging. Keiner schien größer zu sein als Jollys Daumen.
    »Lass uns tiefer gehen«, sagte sie.
    Munk nickte, bewegte sich aber nicht. Noch immer spähte er fasziniert über den Fels hinweg. Das Licht der Fische reflektierte in seinen Augen und verlieh ihnen ein wildes Flirren, das Jolly beinahe mehr beunruhigte als der seltsame Schwarm, der jetzt genau auf sie zuhielt.
    Sie packte Munk bei der Hand und zerrte ihn mit sich.
    »He!«, stieß er aus, widersetzte sich aber nicht. Das Flackern in seinen Augen schien noch einen Moment länger anzudauern, bevor es endlich erlosch. Ein paar Herzschläge lang hatte es ausgesehen, als sei die Glut der Fische in seinem Schädel gefangen und blicke durch seine Augen nach außen.
    Sie sanken rasch abwärts. Der Abgrund musste viel tiefer sein, als Jolly angenommen hatte, denn der Boden war noch immer nicht auszumachen.
    »Jolly!«
    »Was?«, erwiderte sie unwirsch, ehe sie mit eigenen Augen sah, was er meinte.
    Die Antwort hätte er sich sparen können. »Sie folgen uns.«
    Der Schwarm schoss über die Felskante, schlug in einer wallenden Bewegung einen Haken und strömte in die Tiefe, geradewegs hinter Jolly und Munk her.
    Die beiden Quappen rasten kopfüber abwärts, beschleunigten mithilfe hektischer Schwimmbewegungen. Die Felswände schossen zu beiden Seiten an ihnen vorüber. Hin und wieder mussten sie Vorsprüngen und Gesteinsnasen ausweichen, behielten ihre halsbrecherische Geschwindigkeit aber bei.
    Die Fische waren schneller.
    Licht flutete über sie hinweg, weiß und gläsern wie der Schein eines aufgehenden Vollmonds. Der Schwarm schien sie in seine Arme zu nehmen, so als wäre er ein einziges gewaltiges Lebewesen, keine Masse aus hunderten winziger Tiere.
    Jolly stieß einen Fluch aus. Munk brüllte etwas wie »Bleibt mir vom Leib!« und begann, wild um sich

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