Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
Glück und änderte ihre Richtung. Sie hatte keine Möglichkeit, an den Klabautern vorbeizukommen und zu ihren Gefährten vorzustoßen. Sie musste einen anderen Weg wählen, um in Sicherheit zu gelangen.
Wieder schaute sie zu dem Fackelschacht hinüber und fragte sich, wohin er wohl führte. Auf jeden Fall ins Innere der Seesternstadt, so viel stand fest. Sie selbst war noch in keinem der Schächte gewesen, wusste aber, dass sich an ihren Wänden Treppenstufen nach oben schraubten. Von dort aus wurden die zahllosen Fackeln in den Halterungen regelmäßig erneuert. Sie hätte versuchen können, durch einen der Schächte zur Oberfläche zu tauchen und über die Treppe weiter hinauf zu laufen. Doch die Tore zu den Schächten waren verbarrikadiert, damit keine Klabauter über diesen Weg in die Stadt gelangen konnten. Außerdem gab es vermutlich Gitter, wahrscheinlich noch unterhalb der Wasseroberfläche.
Soledad überlegte fieberhaft und hielt zugleich Ausschau nach weiteren Klabautern, als plötzlich ein mächtiger Umriss vor ihr durch die Schwaden stieß.
Im ersten Augenblick glaubte sie an eine weitere Monstrosität des Mahlstroms, an ein gigantisches Ungeheuer aus den Schlünden der See, das den Klabautern bei der Zerstörung der Kette beistehen sollte.
Doch es war Jasconius.
Der Mann im Wal und sein titanischer Freund kamen den Tauchern an der Kette zu Hilfe!
Der Wal fuhr mitten unter die Klabauterrudel und wirbelte die Angreifer mit gewaltigen Schlägen seiner Schwanzflosse durcheinander. Selbst Soledad, die sich in einiger Entfernung von ihm befand, bekam die Strömung zu spüren, wurde gegen eine Strebe geschleudert und schrie unter ihrem Tauchhelm schmerzerfüllt auf.
Als sie die Augen wieder aufriss, sah sie, dass unter den Klabautern Panik ausbrach. Der riesige Schädel des Wals rammte sie und brach ihnen alle Knochen im Leib. Seine Flosse zerschmetterte sie wie Insekten. Unfassbar, mit welcher Gewandtheit sich der Meeresriese bewegte. Seine Schnelligkeit strafte sein schwerfälliges Äußeres Lügen. Auch die Klabauter hatten wohl nicht mit einer so erbitterten Attacke gerechnet.
Soledad wog ihre Chancen ab. Als Fluchtmöglichkeit blieb ihr jetzt nur noch der Weg vorbei an der Kette in Richtung Unterstadt. Ob es von dort einen Aufstieg in die Oberstadt gab, wusste sie nicht. Aber sie hatte keine Wahl.
Der Name Unterstadt war irreführend, denn es handelte sich beim unterseeischen Teil Aeleniums beileibe nicht um eine Stadt. Der gigantische Seestern, der die Basis Aeleniums bildete, besaß zwei bergähnliche Auswüchse: einen an seiner Oberseite, den anderen darunter. Während der obere Teil im Laufe der Zeitalter mehr und mehr in die Form einer menschlichen Besiedlung gebracht worden war, mit Häusern und Türmen und Palästen, die man aus den Korallenstrukturen gemeißelt hatte, waren die Formationen an der Unterseite unberührt geblieben. Hier verliefen die Höhlen und Tunnel, wie der Zufall sie geschaffen hatte: Korallenarme wucherten wild in alle Richtungen, und die Oberfläche war überzogen von scharfen Graten, Spitzen und Dornen, die einem unvorsichtigen Taucher das Leben kosten konnten.
Der Weg zu der zerklüfteten Korallenschräge war weitestgehend frei; Soledad konnte ungehindert bis dorthin gelangen, falls Jasconius die Klabauterschwärme noch eine Weile länger ablenkte. Aber die Angst ließ sie zögern, denn sie wusste, worauf sie sich einließ. Gut möglich, dass sie sich in den Irrwegen der zerfurchten Korallenarme und Grotten hoffnungslos verirren würde, bis ihre Atemluft zur Neige ging - und dabei nicht einmal in die Nähe der Oberfläche gelangte.
Ihr Blick fiel auf ein Rudel von Klabautern, das sich von der Ankerkette gelöst hatte und sich außerhalb der Reichweite von Jasconius’ tödlichen Schlägen in Sicherheit brachte.
Mit einem Mal riss einer der Klabauter den Arm empor und zeigte auf sie. Sofort setzten sich zehn oder elf von ihnen in Bewegung. Augenscheinlich hatten sie Befehl bekommen, keinen Menschen im Wasser am Leben zu lassen.
Sie verfluchte ihre Unschlüssigkeit, die sie nun Kopf und Kragen kosten mochte, stieß sich ab und schwamm mit hastigen Stößen in Richtung Schräge. Ein Stück weit unter ihr klaffte eine von zahllosen Öffnungen, ein gezackter Riss, breit genug, um ein kleines Schiff hindurchzusteuern. Sie tauchte an Korallenkanten und scharfen Ecken vorüber und bog in die Dunkelheit. Hier gab es keine Lichtquelle außer dem fahlen Schein, der durch
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