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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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warten«, sagte Urvater mit rauer Stimme. Von dem langen, manchmal aufbrausenden Gespräch war sie noch heiserer als sonst geworden. »Du musst tun, was zu tun ist.«
    »Nicht, bevor der zweite Wall fällt«, widersprach der Geisterhändler. »Ich habe es viele Male gesagt, und ich sage es noch einmal: Die Gefahr ist zu groß. Und der Preis…« Er ließ das Wort mit einem düsteren Kopfschütteln ausklingen, bevor er abermals ansetzte. »Der Preis könnte höher sein, als wir es uns vorstellen können.«
    »Dagegen stehen hundertfacher Tod. Und vielleicht der endgültige Untergang.«
    »Den kann das eine wie das andere bringen. Lass uns nicht mehr darüber streiten, alter Freund. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Bisher halten sie den ersten Wall. Danach bleibt uns der zweite. Und erst dann . « Wieder brach er ab.
    »Du setzt immer noch all deine Hoffnung in die Quappen.« Urvater musterte ihn aus Augen, mit denen er Äonen hatte vorüberziehen sehen wie ein Sterblicher das Auf und Ab der Gezeiten.
    »Und warum auch nicht?«
    Urvater schüttelte das greise Haupt. »Was macht dich nur so sicher, dass du alles dafür aufs Spiel setzt?«
    »Es gibt keine Sicherheit, ich weiß das.« Der Geisterhändler zögerte. »Aber ich kenne den Jungen. Er hat die Macht, die nötig ist.«
    »Aber besitzt er auch das Verantwortungsgefühl und die Weisheit, die eine solche Aufgabe verlangt?«
    »Deshalb ist Jolly bei ihm.«
    »Auch sie ist noch ein Kind.«
    Der Einäugige lächelte traurig, als er Urvater ansah.
    Oben auf dem Sims legten beide Papageien die Köpfe schräg. »Noch ein Kind, hast du gesagt, nicht nur ein Kind. Und du weißt, weshalb. Du selbst kennst den Unterschied.«
    »Aber auch du weißt, was damals geschehen ist. Wir haben es beide mit angesehen, ganz ähnlich wie heute. Wir haben dagestanden und zugeschaut und haben es nicht ändern können.« Er seufzte. »Schon damals waren wir zu schwach.«
    »Heute sind wir weiser.«
    »Sind wir das?« Urvater kicherte heiser. »Ich bin älter als du, aber auch ich warte immer noch auf die Weisheit des Alters. Allmählich habe ich die Hoffnung aufgegeben, ihr jemals zu begegnen.«
    Der Geisterhändler lächelte erneut. »Zumindest den Starrsinn des Alters hast du bereits kennen gelernt.«
    »Wäre ich so starrsinnig, wie du glaubst, würde ich dich zwingen, alles Nötige zu tun. Stattdessen versuche ich, dich zu überzeugen und muss mit ansehen, wie es mir misslingt.«
    Der Händler wurde schlagartig ernst. »Es geht nicht. Noch nicht. Nur, wenn es gar keinen anderen Ausweg mehr gibt.«
    »Wir haben so viele sterben sehen, du und ich. So viel vergeudetes Leben in all den Zeitaltern.«
    Über dem Wasser formierten sich die Rochenreiter zu einem einzigen breiten Ring, der sich enger um die Hänge der Stadt legte. Sie hatten es aufgegeben, das Wasserfeld bis zum Nebel von Klabautern befreien zu wollen. Stattdessen konzentrierten sie sich nun auf die Ufer und auf die Welle von Angreifern, die sich dort aus den Wogen wälzte.
    »Im Norden regnet es tote Fische«, sagte Urvater und deutete auf das Funkeln vor dem Hintergrund des Nebels. Die Abendsonne tauchte den Rand der Schwaden in rotgelbes Glutlicht. Davor fiel etwas, das aus der Ferne aussah wie Funkenregen.
    »Dann ist er hier«, stellte der Geisterhändler fest.
    »Er kommt spät.«
    »Nicht spät genug.«
    »Wohl kaum.«
    Abermals wandte der greise Mann sich dem Händler zu. »Du kannst Sterbende in Geschichten verwandeln, mein Freund. Aber über uns beide erzählt man sich mehr Geschichten, als irgendwer je sammeln oder aufschreiben könnte. Heißt das nicht, dass wir in gewisser Weise längst tot sind?«
    Der Geisterhändler dachte darüber nach, dann nickte er. »Vielleicht haben wir es nur noch nicht bemerkt.«

Auf dem Klabauterpfad

    Nicht mehr weit bis zum Mittelpunkt der Erde, dachte Jolly düster. Ihr kam es vor, als liefen Munk und sie bereits ein Leben lang durch diese Finsternis. Aina hatte sie aus den Trümmern der versunkenen Korallenstadt geführt, weiter hangabwärts. Zwei- oder dreimal waren sie an die Kanten dunkler Abgründe gelangt und hatten an Felswänden hinabtauchen müssen. Und immer noch ging es weiter nach unten.
    Einmal hatte Aina sie davor gewarnt, den direkten Weg entlang einer Reihe merkwürdiger Felsschlote zu nehmen, aus deren Spitzen etwas aufstieg, das wie schwarzer Rauch aussah. Tatsächlich handelte es sich um kochendes, aschehaltiges Wasser aus dem Schlund der

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