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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sucht mich.«
    »Die Strömungen?«, fragte Munk, und Aina nickte.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie, »Es hat euch auch getroffen, oder?«
    Jolly runzelte die Stirn. »Wir haben gedacht, er ist auf der Suche nach uns.«
    »Nein«, sagte Aina. »Ich glaube nicht, dass er schon weiß, dass ihr hier seid.«
    War das Mädchen für den Mahlstrom wirklich bedeutender als Jolly und Munk? Vielleicht fürchtete er die beiden überhaupt nicht, vielleicht waren sie ihm vollkommen gleichgültig; er wusste, dass sie ihm nichts anhaben konnten. Jolly ballte unauffällig eine Hand zur Faust. Lieber wäre sie in dem Glauben geblieben, die Suchströme hätten ihnen gegolten. Wenigstens hatte sie bis dahin das Gefühl gehabt, der Mahlstrom nähme sie ernst. So aber schien ihre ganze Mission noch aussichtsloser. Manchmal war es von Vorteil, Angst zu haben.
    Vor ihnen war der Hang jetzt mit etwas bewachsen, das auf den ersten Blick aussah wie die bleichen Pflanzenwürmer, die zwischen den Ruinen der Korallenstadt wucherten. Tatsächlich handelte es sich um ganz ähnliche Gewächse, nur dass diese hier viel größer waren. Es dauerte nicht lange, da ragten die wogenden Würmer über ihre Köpfe hinaus, winkten ihnen zu wie riesenhafte Arme und Beine, die jemand an den Gelenken in den Boden gesteckt hatte.
    Sie standen in breiten Büscheln beieinander, aber dazwischen gab es immer wieder Schneisen, durch die die drei mühelos hindurchwandern konnten. Munk schlug vor, den bizarren Wald zu überschwimmen, doch Aina weigerte sich. Sie seien zu nahe am Schorfenschrund, sagte sie. Und sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren.
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Jolly.
    »Nicht mehr weit. Über die Hälfte haben wir schon geschafft.«
    Wie lange waren sie unterwegs? Jolly wusste es nicht. Das fehlende Zeitgefühl hier unten machte ihr immer größere Sorgen.
    »Vorsicht!« Aina blieb stehen.
    Auch Jolly und Munk verharrten. Angespannt starrten sie erst auf das Mädchen, dann in die düstere Umgebung.
    »Was ist los?«
    »Hier ist etwas.« Ainas Blick tastete über die Wand aus Pflanzenarmen, die sich lautlos vor und zurück wiegten. Vor und zurück, immer wieder, aufgestört von unsichtbaren Strömungen.
    Jolly sah Munk an, aber er zuckte kaum merklich die Schultern. Sie hatten beide nichts bemerkt.
    »Runter vom Pfad«, flüsterte Aina und glitt mit einem blitzschnellen Schwimmstoß vom Boden zwischen die biegsamen Stängel. »Schnell!«
    »Pfad?« Munk schaute verdutzt auf den Boden. Die Schneise zwischen den Pflanzen sah nicht aus, als wäre sie künstlich angelegt worden. Jolly signalisierte ihm stumm, dass sie nicht die geringste Ahnung hätte, wovon das Mädchen sprach. Dennoch folgten sie Aina rasch zwischen die Stauden. Das weiße, schwammige Fleisch der Gewächse fühlte sich widerlich an, viel organischer, als Jolly lieb war.
    »Ist das wirklich ein Pfad, über den du uns geführt hast?«, fragte Munk mit gepresster Stimme.
    Aina nickte. »Ein Pfad der Krallenmänner«, flüsterte sie, bedeutete aber sofort mit dem Zeigefinger an den Lippen, dass er keine weiteren Fragen stellen sollte.
    Ängstlich und reglos warteten sie, während die Pflanzen sanft über ihre Körper strichen, so als wollten sie die drei Eindringlinge in ihrer Mitte erforschen.
    In der Stille vernahm Jolly ein sanftes Rauschen und Säuseln - das Reiben der Pflanzenstängel aneinander. Nachdem sie erst einmal auf das Geräusch aufmerksam geworden war, kam es aus allen Richtungen gleichzeitig, bis es selbst das Hämmern ihres Herzschlags übertönte.
    Drei Klabauter schleppten sich mit vorgebeugten Schultern über den Pfad. Ihre Körper waren niedrig und sehr breit, und sie hatten kürzere, ungleich muskulösere Beine als die Klabauter auf der Insel des Gestaltwandlers. Ihre Nasenlöcher waren zu faustgroßen Nüstern verformt. Dafür besaßen sie keine Augen - nur leichte Vertiefungen oberhalb der scharfen Wangenknochen verrieten, wo bei ihren Urahnen einst die Augenhöhlen gesessen hatten. Wie alle Tiere und Pflanzen hier unten waren auch sie von einem durchscheinenden Weiß, wie frische Kokosmilch.
    Jollys Magen verkrampfte sich. Sie betete, eine besonders starke Strömung möge die Pflanzenstängel vor ihr schließen, bevor eine der Kreaturen ihre Witterung aufnahm.
    Munk ergriff ihre Hand. Beinahe hätte sie einen erschrockenen Laut von sich gegeben. Seine Finger schlossen sich so fest um ihre, dass es fast wehtat. Aber sie

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