Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
verstand ihn nur zu gut.
Aina rührte sich nicht. Ihr Blick war fest auf die Wesen gerichtet, die keine fünf Schritt entfernt an ihnen vorüberzogen. Tiefe Sorge zeichnete sich auf den Zügen des Mädchens ab.
Jolly hörte auf zu atmen. Es war ein seltsames Gefühl, als sich das Wasser in ihren Lungen staute und allmählich erwärmte. Aber jetzt auszuatmen schien ihr zu gefährlich.
Einer der Klabauter blieb stehen.
Er wittert uns, durchfuhr es Jolly. Er spürt, dass wir hier sind.
Die Ränder der riesigen Nüstern weiteten sich, zogen sich wieder zusammen. Zugleich öffnete und schloss sich sein vielzahniges Maul, so als versuchte er, etwas aus dem Wasser herauszuschmecken.
Uns, dachte Jolly eisig. Er schmeckt uns!
Die beiden anderen Klabauter blieben ebenfalls stehen. Jolly fiel auf, dass keiner der drei Schwimmhäute besaß. Dafür waren ihre Füße ungemein breit und plump, fast als wäre diese Art von Klabautern an den Grund des Meeres gebunden.
Natürlich! Es war so offensichtlich: weiße Haut, keine Augen, die gebeugte Haltung - alles sprach dafür, dass diese Kreaturen ihr ganzes Leben hier unten verbrachten und seit unzähligen Generationen dem Druck der Wassermassen ausgesetzt waren.
Jetzt schnüffelten sie mit bebenden Nüstern in die Umgebung und machten schmatzende Laute mit ihren Mäulern.
Sie werden uns finden, durchzuckte es Jolly. Sie müssen uns einfach finden.
Die Klabauter stießen ein paar zischelnde Laute aus, dann gingen sie weiter, folgten dem Pfad in jene Richtung, aus der Jolly und die anderen vorhin gekommen waren.
Die Quappen blieben noch lange in ihrem Versteck, ehe Aina schließlich mit einem Aufatmen Entwarnung gab. »Wir sind jetzt sicher«, sagte sie. »Vorerst wenigstens.«
»Was waren das für welche?«, brach es aus Munk hervor, während sie sich zwischen den Stängeln ins Freie schoben.
»Sie leben hier unten.« Aina blickte noch einmal sichernd in alle Richtungen und setzte dann mit beiden Füßen im Staub auf. »Sie sind anders als die, die ihr kennt, nicht wahr? Es gibt nicht mehr viele von ihnen, aber sie sind mindestens ebenso gefährlich wie die Stämme weiter oben. Immerhin: Sie können nicht schwimmen, jedenfalls nicht besonders gut.«
»Kann es sein, dass sie dich gesucht haben?«, fragte Jolly. »Vielleicht hat der Mahlstrom sie ausgesandt.«
Aina setzte ihren Weg bergabwärts fort. »Entweder das -oder .«
»Oder?«
»Wahrscheinlich jagen sie nur, weil sie Hunger haben.« Nach einem Augenblick fügte sie hinzu: »Entscheide du, was dir lieber ist.«
Jolly schluckte und schwieg.
»Aber dich können sie nicht fressen«, sagte Munk, und Jolly ärgerte sich, dass sie nicht gleichfalls darauf gekommen war. »Du hast keinen festen Körper.«
Aina verzog ein wenig gequält das hübsche Gesicht, dann hob sie die Achseln. »Das hilft euch nicht, oder?
Zwei Quappen sind auch kein schlechter Fang.«
Jolly spürte eine Übelkeit in sich aufsteigen, die beinahe schmerzhaft war.
Noch wachsamer als zuvor zogen sie weiter. Bald waren die Spuren der Klabauter nicht mehr zu sehen, der Staub hatte sie unkenntlich gemacht.
Der Wald aus Tiefseegewächsen endete am Rand einer Hochebene. Der Abgrund jenseits der Felskante wogte in ungewisser Schwärze.
»Horcht!«, sagte Aina.
Jolly und Munk zuckten alarmiert zusammen, doch das Mädchen machte eine beruhigende Geste. »Hört einfach hin«, wiederholte sie flüsternd.
Das taten sie, wenn auch zögernd, und es dauerte einen Moment, bis Jolly erkannte, was Aina meinte. Aus der Finsternis vor ihnen ertönte ein fernes Tosen und Brausen, wie der Lärm eines mächtigen Wasserfalls oder einer Flutwelle.
»Suchströme?«, fragte Munk.
»Nein«, entgegnete Aina schaudernd. »Das ist er.«
»Der Mahlstrom?« Jolly lauschte noch angestrengter. Ja, so mochte es sich anhören, wenn unfassbar große Massen Wasser rotierend in die Tiefe gesaugt und wieder ausgespien wurden. Der dröhnende Laut in der Ferne schien sie zu packen und durchzuschütteln. Jolly zitterte, so als spräche aus dem undeutlichen Wüten und Rasen eine mächtige Stimme zu ihr, um sie einzuschüchtern.
Zu ihrem Erstaunen sah sie, dass Munk an der Felskante in die Hocke ging und seine Muscheln aus der Gürteltasche packte. Mit geschickten Handgriffen legte er sie vor sich im Staub aus. Aina sah ihm interessiert dabei zu, den Kopf leicht schräg gelegt.
»Was tust du da?«, fragte Jolly.
»Ich lege die Muscheln.«
»Das seh ich! Aber warum jetzt?« War
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