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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ausschau nach jemandem, den sie kannte.
    Eine Hand berührte ihre Schulter. Als sie herumwirbelte, wurde sie bereits in die Arme genommen.
    »Walker«, flüsterte sie an seiner Schulter, und dann begann sie zu weinen.

Die Schwere tiefer Wasser

    Der Berg auf dem Boden der Tiefsee sah aus wie ein Termitenhaufen, wenn auch tausendmal größer und seltsam gleichförmig in seinen Proportionen. Fast wie ein aufgerichteter Zeigefinger, der die Wanderer auf dem Meeresgrund davor warnte weiterzugehen: Hinter mir ist nichts als der Tod.
    »Was ist das?«, fragte Jolly.
    Aina senkte die Stimme, so als fürchtete sie, jemand könne sie vom Berg aus hören. »Das ist das Nest. Das Nest der Klabauter, wie ihr sie nennt. Hier wurden sie geboren.«
    Jolly und Munk wechselten einen Blick. » Alle Klabauter?«
    Das Mädchen vom Meeresgrund schüttelte den Kopf.
    »Nur die Ältesten. Die Väter der Tiefen Stämme, lange bevor sie sich aufspalteten und einander bekämpften.« Sie trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Jedenfalls haben sie das getan, bis der Mahlstrom sie wieder vereint hat.«
    »Wir haben gehört, die Vorfahren der Klabauter kommen aus dem Mare Tenebrosum«, sagte Jolly, die sich an das erinnerte, was Graf Aristoteles ihnen im Rat erzählt hatte. »Und dass sich Menschen mit ihnen eingelassen hätten. Es heißt, so seien damals die allerersten Klabauter zu Stande gekommen.«
    Aina hob die nackten Schultern. »Darüber weiß ich nichts. Das da« - sie deutete auf den fingerförmigen Felsturm - »ist jedenfalls der Ort, an dem die ersten von ihnen… geschlüpft sind. Oder geboren wurden.«
    Jolly machte einen Schritt bis an den Rand des schmalen Felsplateaus. Eben erst waren sie aus dem Schutz einer Ansammlung haushoher, runder Steine auf diese natürliche Plattform getreten; von oben mussten sie aussehen wie Ameisen, die zwischen einem Haufen Kieselsteine hervorgekrochen waren.
    Vor ihnen öffnete sich das Panorama eines tiefen Felskessels, durchzogen von gezackten Spalten, Schluchten und scharfkantigen Graten, die ein sinkendes Schiff beim Aufprall zerschneiden mussten wie Messerklingen. Als Wächter über den Schorfenschrund, ein gespenstischer Umriss am Rande ihrer Wahrnehmung, erhob sich inmitten dieser unwirtlichen Landschaft der Klabauterberg.
    Seit ihrer Begegnung mit den Albinoklabautern waren sie nicht mehr abwärts gewandert. Wie es schien, behielt Aina Recht - sie hatten die Ausläufer des Schorfenschrundes durchquert, und nun näherten sie sich seinem Zentrum.
    Vielleicht war der Klabauterberg tatsächlich so etwas wie ein letzter Wachtposten vor dem Herzen des Schrundes, vor jenem Ort, aus dem der Mahlstrom entsprang. Das Brausen und Toben in der Dunkelheit war merklich lauter geworden, doch sehen konnten sie noch immer nichts. Die Quappensicht reichte nicht weit genug.
    »Auf meiner Flucht bin ich über die Felsen hinweggeschwommen«, sagte Aina. »Wir könnten gehen, aber das würde dauern und -«
    »Wir schwimmen«, fiel Munk ihr ins Wort.
    Jolly bedachte ihn mit einem finsteren Seitenblick.
    »Ach ja?«
    Er seufzte, als wäre er es leid, sich wegen allem und jedem mit ihr zu streiten. Dabei verlangte sie doch nur, dass er sie wenigstens nach ihrer Meinung fragte. »Wir haben keine Zeit, Jolly. Das weißt du genauso gut wie ich.«
    »Und die Suchströme?«, gab sie wütend zurück.
    »Was hilft es uns, ein paar Stunden einzusparen, wenn uns eine dieser Strömungen erwischt und entweder umbringt oder zig Meilen zurückschleudert?«
    »Wir könnten uns Stück für Stück vorarbeiten«, mischte Aina sich ein. »Von einem Felsgrat zum nächsten. Und am Klabauterberg können wir rasten.«
    »Oh, gute Idee«, entgegnete Jolly. »Wir fragen sie einfach, ob sie nicht noch ein warmes Plätzchen am Kamin für uns haben.«
    Aina lächelte. »Man hat uns von dem Berg erzählt -damals, bevor wir aufbrachen. Wir müssen dort keine Gefahr befürchten. Im Nest selbst haben nie Klabauter gehaust - bis auf einen.«
    Aina trat an den Rand des Plateaus. Ihre rechte Hand tastete nach einer langen Haarsträhne und rollte sie geistesabwesend zwischen den Fingern. »Es hieß, sie war die Mutter der Klabauter. Sogar ihre eigenen Kinder fürchteten sie. Aber sie hat so lange dort in ihrer Grube aus Schlick und Knochen gesessen, dass der Fels über ihr emporgewachsen ist und sie eingeschlossen hat. Danach konnte sie nicht mehr herauskommen, weil sie zu groß und fett für die Spalten und Gänge war.«
    »Zu groß?«,

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