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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wiederholte Jolly unheilschwanger.
    »Wahrscheinlich ist sie längst tot.« Aina schwieg einen Moment und schien nachzudenken. »Wir können einen Bogen um den Berg machen. Aber das wird dauern.«
    Jolly sah wieder zum Gipfel hinüber. Es fiel schwer, in dem fahlen Halblicht seine Höhe abzuschätzen, doch sie vermutete, dass er von der Stelle, wo er über dem Felslabyrinth sichtbar wurde, bis zu seiner knorrigen Kuppe an die hundert Schritt maß. Ebenso gut mochte der mächtige Steinturm aber noch um einiges höher sein.
    »Beeilen wir uns«, sagte Munk.
    Jolly gab nach und nickte. Zu dritt stießen sie sich von der Kante des Plateaus ab und schwebten mit kräftigen Schwimmbewegungen über die Felsgipfel.
    Die Landschaft unter ihnen ähnelte jener, in der sie zu Beginn ihres Weges den Leuchtfischen begegnet waren; nur schien alles noch zerfurchter und scharfkantiger zu sein, so als hätte in grauer Vorzeit ein Riese mit einem Hammer auf die Felsen eingeschlagen. Auch hier lag der Grund der Schlucht zu tief unter ihnen, die Quappensicht reichte nicht bis zum Boden. Von oben sah es aus, als wälzten sich wabernde Schattenflüsse durch die Spalten. Pure Schwärze schäumte rund um die Klippen und Gesteinsnadeln.
    Was Jolly befürchtet hatte, bestätigte sich rasch: Sie hatte die Entfernung zum Klabauterberg unterschätzt und damit vermutlich auch seine Höhe.
    Bald mussten sie die erste Rast einlegen, denn das Schwimmen kostete sie weit mehr Kraft als der Fußmarsch über den Meeresgrund. Geschlafen hatten sie nun schon seit einer Ewigkeit nicht mehr, und ihre Mahlzeiten waren unregelmäßig und lustlos geworden.
    Jolly kaute gerade auf einem zähen Stück Pökelfleisch, das vom Meerwasser noch salziger schmeckte, als Aina einen Warnruf ausstieß. Schnell glitten sie an einer Felswand hinab und kauerten sich nebeneinander in eine Spalte. Kaum waren sie in Deckung, rollte auch schon ein Suchstrom über das Ödland hinweg, eine turmhohe Walze aus aufgewirbeltem Staub, deren Gewalt sogar die Felsen zum Beben brachte. Es war mittlerweile die fünfte dieser unterseeischen Flutwellen, die sie erlebten - die letzte lag noch nicht lange zurück, und Jolly hegte die Befürchtung, dass sie so nahe an ihrem Ziel immer häufiger damit rechnen mussten. Zum Glück hatte Aina ein gutes Gespür dafür und erkannte die Gefahr meist ein wenig früher als die beiden anderen.
    Die drei hatten ihr Versteck gerade verlassen und waren wieder zurück zu den Gipfeln der Felsen geschwebt, als etwas Unvorhergesehenes geschah. Diesmal wurde selbst Aina davon überrascht.
    Dem ersten Suchstrom folgte ein zweiter.
    Sie waren kaum über die Kante der Felsen emporgetaucht, als das Grollen des unsichtbaren Mahlstroms anzuschwellen schien. Ein Trugschluss, wie sich noch im selben Augenblick herausstellte - denn der Lärm kam gar nicht vom Mahlstrom selbst, sondern von einer tobenden, wirbelnden Wand aus Sand und Wasser, die der ersten mit leichter Verzögerung nachfolgte. Sie war nicht so hoch, reichte in der Breite aber ebenfalls von einem Ende der Quappensicht zur anderen.
    »Jolly!«, brüllte Munk. »Runter!«
    Die Warnung kam zu spät. Sie hatte die Gefahr im selben Moment bemerkt, aber ihr blieb keine Zeit zu reagieren. Auch sah sie nicht mehr, was mit den beiden anderen geschah.
    Der Suchstrom erfasste sie, und dann war ihr, als hätte man sie in ein riesiges Gefäß voller Sand und Felssplitter gesteckt und das Ganze kräftig durchgeschüttelt.
    Staub und Steinchen drangen in ihren Mund und in ihre Augen. Oben und unten wurde bedeutungslos. Sie spürte noch, dass sie mitgerissen wurde, von Kräften, die größer und zerstörerischer waren als alles, was sie für möglich gehalten hatte. Ihr Bewusstsein wurde fortgewischt von Schmerz und Panik und einer Finsternis, die selbst die Quappensicht auslöschte.
    Er trennt uns!, war der letzte klare Gedanke, der wie eine Feuerlohe durch ihren Kopf fauchte.
    Dann dachte sie nichts mehr.
    Jedenfalls für eine Weile.
    »Jolly!«
    Ich bin bewusstlos, hallte es wie Worte einer fremden Stimme durch ihre Gedanken. Ich war noch nie in meinem Leben bewusstlos. Aber jetzt… ja, jetzt bin ich es.
    »Jolly, komm schon, wach auf!«
    Sie kannte diese Stimme. Die von Munk war es nicht.
    »Aina?«, kam es gebrochen über ihre Lippen. Ihre Lider öffneten sich zittrig, ihr Blick wurde von grauem Zwielicht geflutet, dann von Formen. Schärfe stellte sich ein. Erkennen.
    Ainas Gesicht. Über ihr.
    »Da bist du ja

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