Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
zierlich.
    Jünger als er selbst. Eigentlich ein hübsches Kind - wäre da nicht dieses Lächeln gewesen, das sein Antlitz in eine hämische Grimasse verwandelte.
    Griffin und das Wyvern waren in eine groteske Umarmung verstrickt, halb stehend, halb am Boden. Überall auf dem Wasser trieben Nester aus wimmelnden Käfern, die blind und hektisch versuchten, entgegen der Strömung zu ihrem Schwarm zurückzukehren. Das Wyvern litt schreckliche Schmerzen, aber es hatte seinen Plan, Griffins Gestalt anzunehmen, noch immer nicht aufgegeben.
    Dann aber erblickte es den Jungen, der das Muscheleiland in seinem Quallenkegel überragte. Aus einem Dutzend Körperöffnungen gleichzeitig schrie es harsche Laute, Befehle vielleicht, Forderungen nach Unterstützung. Doch der Junge sah nur zu und lächelte.
    Was geschieht hier?, dachte Griffin. Wer bekämpft wen? In was bin ich hineingeraten?
    Der Gestaltwandler brüllte weiter, aber der Junge in der Qualle schüttelte kaum merklich den Kopf. Er machte eine knappe Handbewegung in Richtung der Klabauter. Alle waren auf den Muschelschild geklettert und hatten bislang mit pendelnden Klauen und gebleckten Gebissen darauf gewartet, über Griffin herzufallen. Nun gab ihnen ihr Meister den stummen Befehl zum Rückzug. Blitzschnell glitten die Krieger der Tiefen Stämme ins Wasser. Wenige Herzschläge später waren Griffin und das Wyvern allein auf dem Buckel aus Muschelschalen.
    Griffin schloss die Augen. Dass der Herr der Klabauter hier auftauchte, noch dazu unversehrt, konnte nur bedeuten, dass er den Wal besiegt hatte.
    Mit einem Schrei machte er seiner Wut und Verzweiflung Luft. Und es mochte sein Zorn sein oder ein letztes Aufbäumen, das ihm die Kraft gab, den Widerstand des Wyvern zu brechen. Griffin hieb die Faust mitten in das verschwommene Gesicht des Gestaltwandlers, spürte seine Finger eindringen und im Zentrum des wimmelnden Schädels auf etwas wie einen harten Kern stoßen. Er hatte keine Gewissheit, nicht einmal einen echten Hinweis, dass es sich tatsächlich um das Hirn des Wyvern handelte. Er vertraute allein auf seine Intuition und sein Glück.
    Seine Hand schloss sich um die feste Substanz - und zerrte sie mit einem wilden Aufschrei aus dem wirbelnden Chaos der Käfer.
    Augenblicklich sackte der Schwarm in sich zusammen, schien beim Aufprall auf dem Muschelschild in einem Feuerwerk aus Farben zu zerspritzen und ergoss sich als Kaskade aus Käfern in die Spalten und über den Rand des Eilands.
    Sekunden später war Griffin allein, kauerte erschöpft auf den Knien und schloss die rechte Hand mit aller verbliebenen Kraft um das Hirn des Wyvern. Das schwarze Organ, das Ähnlichkeit mit einem Erdklumpen besaß, war nicht hart genug, um seinem Griff zu widerstehen. Lautlos zerbröckelte es zwischen seinen Fingern.
    Der Junge in der Qualle lachte.
    Sein Mund öffnete sich wie der eines Porträts, das hinter Glas zum Leben erwacht. Seine Hände zuckten vor Erregung. Nur sein Blick blieb unverändert, weit aufgerissen starrten seine Augen auf Griffin. Er sah aus wie eine Puppe, die von zu wenigen Händen bedient wird, um natürlich zu wirken - jede Bewegung wirkte unvollständig, jeder Regung fehlten die Details: Augen, die nicht mitlachten; Fäuste, bei denen der Daumen wie gelähmt abgespreizt blieb; und als er den Mund zum Sprechen öffnete, drang kein Laut hervor.
    Er spricht mit ihnen durch seine Gedanken, dachte Griffin. Denn sogleich rückten die Muschelschilde unter seinen Füßen wieder enger zusammen und schlossen alle Lücken. Auch die Klabauter im Wasser formierten sich zu einem perfekten Kreis rund um den Buckel.
    Die Kegelform der Qualle ragte hinter den Klabauterreihen aufrecht über die Wellen hinaus. Die Wogen, die gegen ihre Seiten schlugen, prallten nicht ab, sondern wurden von der Gallerte absorbiert, so als bezöge sie ihre Stärke aus dem Ozean selbst.
    Deshalb also hatte Jasconius ihn nicht besiegen können, durchzuckte es Griffin in grimmiger Trauer. Ganz gleich, wie sehr der Wal dem Quallenungetüm auch zusetzte, solange es sich im Wasser befand, waren seine Kraftreserven unerschöpflich.
    »Was willst du von mir?«, brüllte Griffin dem Jungen entgegen. Die Wunden, die er in diesem und den vorhergehenden Kämpfen davongetragen hatten, taten weh. Ihm war schwindelig, und seine Beine drohten einzuknicken. Aber nichts, keine noch so schwere Verletzung, würde ihn dazu bringen, vor diesem Scheusal auf die Knie zu fallen.
    Einige der Klabauter wurden unruhig.

Weitere Kostenlose Bücher