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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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See zu springen?
    »Als hätten sie Angst vor irgendetwas«, brummte Buenaventure. Sein Atem raste. Während der Kämpfe hatte Soledad ein paar Mal zu dem Pitbullmann hinübergesehen und beobachtet, wie ihm hechelnd die Zunge aus dem Maul hing.
    »Mir scheint eher, es ist genau umgekehrt«, sagte Walker.
    Buenaventure sah ihn fragend an. »Hmm?«
    »Es sieht aus, als hätten sie plötzlich keine Angst mehr -vor ihren Häuptlingen, oder sogar vor dem Mahlstrom.«
    »Du meinst« - Soladed schluckte -, »sie haben ihren Befehlshaber verloren?« Sie sah nicht ihn an, sondern schaute mit bebenden Wangenmuskeln über das flüchtende Heer der Tiefen Stämme.
    »Wer weiß«, sagte Walker. »Ohne ihn folgen sie ihrem Instinkt und stürzen sich zurück ins Wasser. Das Land und die Luft sind ihnen zuwider.«
    »Und das Feuer«, sagte Buenaventure und schnupperte in den Rauch.
    Soledad ließ sich mit dem Rücken gegen einen Balken des Verteidigungswalls sinken. »Aber das würde bedeuten, dass der Herr der Klabauter besiegt ist.«
    Einige der Soldaten wollten den Klabautern folgen und jene in den hinteren Reihen niedermachen, doch die Obersten der Garde hielten sie zurück. Noch traute keiner den eigenen Augen, und schon gar nicht dem Treiben der Klabauter.
    Soledad wandte den Blick von der verstopften Gasse hinauf zum Himmel über dem Wasser. Dort kreiste eine Hand voll Rochen, die übrigen waren damit beschäftigt, Verletzte vom Wall hinauf zu den Zugängen der Schutzhallen zu transportieren. Hatte einer von den Rochenreitern dort draußen den Herrn der Klabauter getötet? Und wo steckte Griffin? Durch den Rauch, den der Schein der Morgensonne zum Glühen brachte, konnte sie die einzelnen Reiter auf den Rochen nicht erkennen, sie waren kaum mehr als helle Punkte auf den Rücken der mächtigen Tiere. Soledad sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass dem Jungen nichts zugestoßen war.
    Die Ungewissheit nagte an ihr, trotz der stürmischen Erleichterung, die sie über das Zurückweichen der Tiefen Stämme verspürte. War dies wirklich ein Rückzug auf Dauer?
    Die Verteidiger machten sich daran, gegenseitig ihre Wunden zu verbinden. Wasserflaschen wanderten von Hand zu Hand, und alle löschten begierig ihren Durst. Jenen, die sich nur noch mit letzter Kraft auf den Beinen hielten, wurde von ihren Gefährten vom Wall herabgeholfen.
    »Was jetzt?«, fragte Buenaventure hilflos. Er hatte noch nicht einmal den Säbel gesenkt, so als könne er nach wie vor nicht glauben, dass die Schlacht ein Ende gefunden hatte. Auch der ohrenbetäubende Jubel, der von allen Teilen des Walls herüberdrang, konnte ihn nicht überzeugen.
    Walker trat einen Schritt vor. »Ich glaube«, sagte der Captain, »wir -«
    Ein Aufschrei unterbrach ihn. Noch bevor er den Satz wieder aufnehmen konnte, ging der allgemeine Jubel in ein Chaos aus Alarmrufen über. Irgendwo in den Gassen über ihnen wurden Glocken geläutet, und ganz nah bei Soledad begann ein junger Mann, herzzerreißend zu weinen.
    Sie folgte der Blickrichtung der anderen und sah, was die ausgelassene Stimmung innerhalb weniger Augenblicke hatte umschlagen lassen.
    Aus dem Nebel, nur vage zu erkennen durch die Wände aus Rauch, brachen Schiffe. Schwarze Flaggen wehten auf Mastspitzen, und der Wind trug einen dumpfen Klangteppich aus Kriegsgebrüll zu den Hängen Aeleniums herüber.
    »Das ist Tyrone!«, entfuhr es Walker mit versteinerter Miene. »Vom Regen in die Traufe, verdammt noch mal.«
    Wie Geisterschiffe lösten sich die Segler aus dem Nebelring. Auf ihren Decks wimmelte es von grell geschminkten Stammeskriegern und säbelschwingenden Piraten.
    »Sind das die Kannibalen?«, flüsterte der weinende Junge in Soledads Nähe.
    Niemand gab ihm eine Antwort.

Ein Gespräch in der Tiefe

    Die Höhle im Klabauterberg war lang gestreckt, ziemlich schmal und nicht besonders hoch. Doch Jollys Hoffnung, der kantige Felsschlauch könne sich als Tunnel entpuppen, der irgendwohin führte, erwies sich als falsch.
    Nach dreißig, vierzig Schritten schälte die Quappensicht die Rückwand aus der Dunkelheit, erst nur als Schemen, dann als steile Halde aus Brocken und kleinem Gestein; augenscheinlich war irgendwann die Decke eingestürzt. Es musste Beben hier unten geben, sogar Vulkanausbrüche, von denen man an der Oberfläche nichts spürte, und diese Erkenntnis verstärkte Jollys Gefühl des Alleinseins ins Unerträgliche. Falls sie an diesem Ort starb, würde das oben auf See nicht einmal eine Welle schlagen.

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