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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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das so, brauchtest du uns nicht«, entgegnete Jolly und unterdrückte ein Beben in ihrer Stimme. Was, wenn Aina die Wahrheit sagte? Es durfte einfach nicht sein. »Aelenium kämpft noch immer, das weiß ich.«
    »Du hast gesehen, was mit der ersten Seesternstadt geschehen ist. Sie ist untergegangen und in tausend Stücke zerbrochen. Viele haben ihr Leben verloren, und so wird es auch heute wieder sein. Damals haben sie zum ersten Mal versucht, mich einzusperren, und fast wären sie gescheitert - aber wenigstens die Stadt habe ich zerstören können.« Aina streckte ihre Hand aus, wie um Munk zu berühren. »Zeig ihr, auf wessen Seite du stehst, Munk.«
    Jolly schob ihre Finger zu den Muscheln in der Gürteltasche, eine Hand voll knirschender Gehäuse, die im Augenblick völlig nutzlos waren. Sie hätte sie auslegen und dann eine Perle beschwören müssen - alles Dinge, die viel zu viel Zeit in Anspruch nahmen.
    »Tu’s nicht«, sagte sie zu Munk.
    »Er will, dass du bei ihm bleibst«, sagte Aina. »Ist es nicht so, Munk?«
    »Ja«, sagte er.
    »Du kannst sie dazu zwingen«, sagte Aina. »Du musst es nur wollen.«
    »Das hast du schon einmal versucht«, sagte Jolly.
    »Mich zum Bleiben zu zwingen, erinnerst du dich?«
    Womöglich war es falsch, ihn an seine Niederlage auf der Carfax zu erinnern. Aber zum Teufel damit! Es tat ihr weh, ihn so zu sehen. Trotz aller Streitigkeiten war er immer noch Munk. Der Farmerjunge, der sie aus dem Wasser gefischt und gerettet hatte. Ihr Freund.
    Aina verlor die Geduld. »Tu es!«, fauchte sie in Munks Richtung. »Oder ich werde es selbst tun!«
    Jolly blickte sich um. Der Schwarm aus Leuchtfischen tänzelte hinter ihr vor dem Grau der Tiefsee. Von ihnen konnte sie diesmal keine Hilfe erwarten. Sie musste sich selbst etwas einfallen lassen. Sie schaute nach unten, über den endlosen Teppich aus Muscheln am Boden. Ihre Gedanken tasteten in die Tiefe, hinab in die Kruste aus leeren Gehäusen.
    Was sie dort spürte, erschütterte sie: Es gab keine Magie mehr in diesen Muscheln, keine Anzeichen eigenen Lebens oder Überreste ihrer früheren Kraft. Der Mahlstrom hatte sie ausgesaugt, hatte ihnen all ihre Macht genommen und sie für seine teuflischen Zwecke missbraucht. Was Jolly fur eine Ansammlung unermesslicher Magie gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Friedhof. Der Zauber all dieser Muscheln war unwiederbringlich verloren. Trauer krallte sich um ihr Herz. Ihr war, als wäre sie selbst um das Wertvollste betrogen worden, das sie besaß, abgenagt bis auf die Knochen. Und sie begriff, dass es das war, was ihr und Munk bevorstand: Der Mahlstrom würde ihre Magie verschlingen, würde sich ihr Talent und ihre Kräfte einverleiben und nichts davon übrig lassen. Nicht sie selbst würden die Stellen des Acherus und des Herrn der Klabauter einnehmen, sondern ihre ausgebrannten Hüllen. Deshalb waren die Diener des Mahlstroms auf neue Körper angewiesen, denn nicht einmal bewegen konnten sie sich aus eigener Kraft.
    Auch das, was da vor Jolly schwebte, war nicht mehr Aina selbst, nur ein Ebenbild, das der Mahlstrom ausgespuckt hatte, um sie zu täuschen und zu verhöhnen.
    Jolly tastete noch tiefer, unter die Schicht aus Muscheln, zum eigentlichen Boden des Schorfenschrunds. Und dort endlich fand sie, wonach sie suchte.
    Die magischen Stränge. Das uralte, machtvolle Aderwerk der Wasserweber. Tausendfach verästelt zog es sich durch den Schorfenschrund, vielfach verflochten und verwoben.
    Beim Untergang der Carfax hatten die Weberinnen Jolly zu sich geholt, durch einen Tunnel aus Wasser, der sie schnell wie ein Sturmwind in ihr unterseeisches Nest getragen hatte. Konnten sie das wieder tun? Und sei es nur, um sie vor dem Mahlstrom zu retten - und vor Munk?
    Sie versuchte, mit ihren Gedanken eine der magischen Adern zu fassen, doch dann wurde sie plötzlich selbst gepackt und von den Strängen fortgerissen. Ihre Verbindung zum Garn der Weberinnen zerriss wie ein zu straff gespanntes Tau, schnellte peitschenschnell aus der Tiefe empor und verblasste im Dämmerlicht des Schorfenschrunds. Jolly schüttelte sich, ihr Blick wurde klar.
    Sie sah, dass Munk im Schneidersitz am Boden saß, inmitten des ausgebrannten Muschelmeers. In tiefster Konzentration hatte er die Augen geschlossen.
    Und noch etwas erkannte sie.
    Sie hatte sich getäuscht, als sie angenommen hatte, alle Muscheln unter ihr seien abgestorben. Da waren noch einige, nur ein paar, in denen es brodelte vor Macht. Munks Muscheln! Und

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