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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht besser gewusst, so hätte sie angenommen, der Kreatur aus den Tiefen Aeleniums seien Flügel gewachsen, die sie nun zu ihnen an die Oberfläche getragen hatten.
    Doch bei aller Eleganz und Größe war es doch eindeutig der Hexhermetische Holzwurm, der zu ihnen sprach. Gott hin oder her, sein Schimpfen und Fluchen erinnerte an das eines ungezogenen Kindes.
    »Beim verräterischen Atem Tetzcatlipocas, gibt es denn hier niemanden, der einem frisch geschlüpften Schlangengott eine Portion Holz bringen kann?«
    Er verstummte, schien zu überlegen und stieß dann ein Seufzen voller Selbstmitleid aus. »Ich hab alles aufgefressen, was unten im Hof lag, aber das hätte nicht mal einen Wurm satt gemacht, geschweige denn -« Wieder brach er ab, denn nun hatten seine geschlitzten Schlangenaugen Griffin entdeckt. Der spitze Schädel schoss vor, über Soledad hinweg, schlängelte sich mühelos an Buenaventure vorbei und beugte sich behutsam pendelnd über den Jungen. Der Pitbullmann sah im ersten Moment aus, als wollte er den Kopf des Schlangengottes mit bloßer Faust beiseite prügeln, atmete dann aber tief durch und ließ ihn gewähren.
    »Jungchen!«, entfuhr es dem Wesen besorgt. Seine Stimme klang lispelnd und war der des Wurmes erstaunlich ähnlich, wenn sie auch viel gewaltiger klang. »Was ist los mit dir?« Der Schlangenleib schlug einen Bogen und bildete dabei, ohne es zu wollen, eine lockere Schlinge um Buenaventure. Der Blick der schmalen Pupillen richtete sich wieder auf Soledad.
    »Er ist doch nicht tot, oder?«
    »Nein«, sagte sie. »Tot ist er nicht. Nur erschöpft und verwundet.«
    Der Reptilienschädel zuckte zurück, dann blinzelten seine bernsteinfarbenen Augen wieder auf Griffin hinab. Der Lichtschein, der um den mächtigen Schlangenkörper wogte, umfing nun auch Buenaventure und den leblosen Jungen. Soledad erwartete beinahe, dass das Licht Griffin heilen würde, doch als das Wesen sich entknotete und die Schlinge um den fluchenden Pitbullmann löste, war Griffin nicht aufgewacht. Die verkrusteten Schnitte in seiner Seite leuchteten nach wie vor in dunklem Rot.
    »Wo ist das Mädchen?«, fragte die Schlange. »Wo ist Jolly?«
    »Immer noch im Schorfenschrund«, sagte Soledad. Jedenfalls hoffte sie es.
    »Der Schorfenschrund… natürlich.« Die Stimme des Wesens klang jetzt nachdenklich, so als könnte es sich nur Stück für Stück an das erinnern, was seiner Verpuppung vorausgegangen war.
    Soledad sah, wie Walker die Stirn runzelte. »Was bei Morgans Bart soll das sein?«, fragte er wenig diplomatisch und zeigte auf die geflügelte Schlange. Die Frage war an niemanden Bestimmtes gerichtet, doch dann baute er sich mit erhobenem Kinn vor dem Wesen auf, stemmte die Hände in die Hüften und sah zu dem riesenhaften Schädel auf. »Was ist das, was da aus dir geworden ist, Wurm? Sieht für mich aus wie etwas, das man unter Steinen findet.«
    »Walker«, ermahnte Soledad ihn sanft.
    »Zzzzsssss«, zischte die Schlange. Ihre gegabelte Zunge schoss vor, tastete durch die leere Luft und verschwand wieder zwischen den schuppigen Kiefern.
    »Dazu wäre ein größerer Stein nötig, als du tragen könntest - verheb dich nicht, mein Freund.«
    War das eine Warnung? Nein, dachte Soledad, wohl kaum. Der Hexhermetische Holzwurm war in seiner alten Gestalt gefräßig, betrügerisch und durch und durch selbstsüchtig gewesen, aber in seiner… nun, Brust schlug ein gutes Herz.
    »Ich bin die Große Schlange«, sagte das Wesen, und jetzt klang er beinahe Ehrfurcht gebietend. »Ich fliege auf den Winden zwischen den Welten und verschlinge die Feinde des Alten Volkes.«
    Soledad kannte die Mythen vom Schlangengott der Indios, die sich die Eingeborenen auf den Inseln erzählten. Auch hatte sie Zeichnungen und Reliefes der geflügelten Schlange gesehen, in den Ruinen der Dschungeltempel von Yucatan, in die ihr Vater sie vor vielen Jahren einmal mitgenommen hatte. Nun fragte sie sich, ob die mythische Gottheit der Eingeborenen tatsächlich dieselbe war wie jene Kreatur, der sie jetzt gegenüberstanden. Was an sich schon unglaublich gewesen wäre. Aber akzeptieren zu müssen, dass sie und der Holzwurm ein und dasselbe Geschöpf waren, war vollkommen aberwitzig.
    »Feinde verschlingen«, wiederholte Walker die Worte der Schlange. »Klingt nach einer guten Idee.«
    Der Kopf der Schlange pendelte, aber es ließ sich nicht erkennen, ob die Bewegung ein Nicken sein sollte.
    »Kannst du Griffin hinter den Wall bringen?«, fragte

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