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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dazwischen, die größte und schönste von allen - jene Muschel, die Aina ihm gegeben hatte.
    Munk musste sie am Boden zu einem Muster ausgelegt haben, bevor Jolly am Fuß des Mahlstroms eingetroffen war. Er und Aina hatten Jolly in das Zentrum dieses Kreises gelockt. Unter ihren Füßen, knapp über dem Boden, war eine gleißende Perle entstanden, zischend und fauchend vor Kraft - und leuchtender als jede andere, die Jolly bisher gesehen hatte. Nur mithilfe von Ainas uralter Muschel konnte Munk ein Gebilde von solcher Macht erstehen lassen.
    Aina lächelte, und nun endlich war jede Unschuld aus ihrem Gesicht gewichen. Ihre Züge verformten sich, drehten sich, bildeten einen Strudel, der direkt ins Innere ihres Schädels führte. Jolly starrte sie an und kämpfte zugleich darum, sich von diesem Anblick loszureißen. Aber Munks Kräfte hielten sie fest, als hätte er sie mit einer lähmenden Eiskruste umhüllt. Unter ihr wurde die glühende Perle größer und größer, berührte jetzt ihre Füße und wanderte, während sie sich um Jolly herum aufblähte, an ihrem Körper empor.
    Sie verschlingt mich!, durchzuckte es Jolly. Doch nicht einmal ihre Panik verlieh ihr die nötige Kraft, dagegen Widerstand zu leisten.
    Sie wollte sprechen, aber ihr Mund gehorchte ihr nicht. Kiefer und Zunge waren erstarrt. Ihre Augen vermochten nur noch geradeaus zu blicken, auf den rotierenden Schlund, in den Ainas Züge sich verwandelt hatten.
    Helle Lichtpunkte tauchten rechts und links in Jollys Blickfeld auf, wurden an ihr vorübergezogen. Die Leuchtfische der Weberinnen waren in den Sog von Ainas Schädelstrudel geraten, sausten hilflos darauf zu - und wurden verschluckt. Ihr Licht verglühte im Abgrund des grauen Wirbels, und Jolly spürte einen scharfen Schmerz, als hätte jemand eine Nadel zwischen ihre Rippen gerammt. Dann erreichte das Licht der Perle ihr Gesicht und hüllte sie ein. Jolly war jetzt im Zentrum der flammenden Kugel gefangen.
    Ein verzweifelter Schrei stieg in ihr auf, lodernder Zorn und Hass auf den Mahlstrom und unendliche Wut auf Munk, der zu schwach oder zu dumm oder einfach nur zu verletzt von ihrer Liebe zu Griffin war, um jetzt noch auf sie zu hören.
    Er schien die Veränderung, die mit Aina vorgegangen war, gar nicht wahrzunehmen. Vom Körper des Mädchens war nichts übrig geblieben, nur eine wirbelnde Strudelspirale, die rasend um sich selbst rotierte. Am hinteren Ende verlängerte sich der Strudel zu einem peitschenden Wasserwurm, der sich auf die mächtige Mahlstromsäule zuschlängelte und mit ihr verschmolz. Bald wurde auch die große Perle erfasst, in der Jolly zusammengekauert gefangen war. Hilflos musste sie mit ansehen, wie sie auf den Strudel zugesaugt wurde, geradewegs ins Innere des Mahlstroms.

Wenn Götter weinen

    Die Lichterflut, die sich über das zerstörte Dach des Hauses ergoss, blendete sie alle. Auch während der Wurm - oder das, was aus ihm geworden war - mit ihnen redete, konnte Soledad noch immer nicht erkennen, in was er sich eigentlich verwandelt hatte. Erst ganz allmählich, als er wieder fluchte und jammerte, er habe Hunger und ob es denn hier wohl nirgends einen kräftigen Baumstamm für einen ausgehungerten Gott gebe, gewöhnten sich ihre Augen an das Gleißen und Glosen, und sie erkannte, was da im Zentrum des Lichtscheins schwebte.
    Der Wurm war zu einer geflügelten Schlange geworden, deren mächtiger Körper sich unablässig in der Luft ringelte, getragen von Schwingen, die breit genug waren, um den gesamten Dachboden zu umfassen. Ihr Fächern sandte feuchtwarme Luftstöße über die Ruine des Speichers und wirbelte die Reste des Netzwerks durcheinander wie Schneeflocken. Die Schuppen des Wesens glänzten in einem dunklen Purpur, fast schwarz, und von derselben Farbe waren auch seine Flügel, die dicht gefiedert waren wie die Schwingen eines Raubvogels; sie saßen im oberen Drittel des Schlangenleibes, der ausgestreckt an die zwanzig Schritt messen musste, obgleich sich das bei all dem Geringel und Gepeitsche schwer abschätzen ließ.
    Walker brüllte auf, und Buenaventure schob sich schützend vor den wehrlosen Griffin. Soledad aber blieb gefasst. Gewiss, innerlich war sie ebenso aufgewühlt wie ihre Freunde, doch sie hatte ihnen eines voraus: Sie war schon einmal einem solchen Wesen begegnet. Es war nicht geflügelt gewesen, aber ebenso gigantisch. Selbst der dreieckige Reptilienkopf war jenem der Seeschlange aus der Unterstadt zum Verwechseln ähnlich. Hätte sie es

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