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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ist, da haben die Meister keinen Finger gerührt, um ihr beizustehen. Stattdessen haben sie zugesehen, wie sie eingekerkert wurde. Zeit spielt für diese Wesen keine Rolle, nicht ein paar tausend Jahre, und so beschlossen sie zu warten. Sie mussten ja auch nicht die Qualen erleiden, die der Mahlstrom erlitt… oder Aina.«
    Zum Teufel, dachte Jolly, dieses Miststück hatte ihm gehörig den Kopf verdreht.
    Er fuhr fort: »Als der Mahlstrom dann von neuem an Macht gewann und sein Gefängnis sprengte, da forderten die Meister des Mare, dass er ihnen dienen solle. Doch er beschloss, sich selbst zum Herrscher dieser Welt zu machen - ohne jenen von Nutzen zu sein, die ihn geschaffen und dann verraten hatten.«
    Er machte eine Handbewegung auf sie zu. »Aina hat sich nur gewehrt, Jolly. Und dir wäre es beinahe ähnlich ergangen. Erinnere dich, wie du mit Griffin auf der Insel des Gestaltwandlers gestrandet bist. Das war kein Zufall. Der Gestaltwandler gehorchte dem Mare. Und seine Brücke war nur zu einem Zweck gebaut: dich zu den Meistern zu bringen. Mit dir hätten sie einen neuen Mahlstrom, ein neues Tor formen können, diesmal in ihrer Welt.« Er senkte seine Stimme. »Du hast Glück gehabt. Aina schickte dir die Klabauter, um die Brücke rechtzeitig zu zerstören. Nur das hat dich gerettet.«
    Jolly starrte ihn an. Die Brücke stand ihr vor Augen -und mit ihr der unbeschreibliche Blick ins Meer der Finsternis. Was hatte der Gestaltwandler damals auf der Insel zu ihr gesagt? Du wirst erwartet.
    Nun ergaben seine Worte einen Sinn. Sie schauderte. Was, wenn die Klabauter nicht angegriffen hätten? Wäre sie es dann gewesen, die den Meistern das Tor geöffnet hätte? Hätte sie das Unheil in die Welt gelassen? Munk hatte Recht, die Klabauter hatten sie letztlich vor diesem Schicksal bewahrt.
    Sie machte unwillkürlich einen Schritt zurück, doch Munk tat es ihr gleich.
    Jolly funkelte ihn an. »Begreifst du denn nicht, was hier passiert, Munk? Siehst du nicht, was der Mahlstrom aus uns macht? Uns erwartet das gleiche Schicksal wie die Quappen von damals! Einen von ihnen hat er in den Acherus verwandelt - dasselbe Ungeheuer, das deine Eltern getötet hat!« Sie rammte ihm die Worte entgegen wie eine Klinge. »Auch er ist gewesen wie wir. Genauso das Wesen, das die Klabauterheere anführt. Mit uns will der Mahlstrom das Gleiche machen. Wir sollen ihm helfen, aber nicht als Gleichgestellte, sondern als Sklaven ohne Willen.« Beinahe hätte sie vor Zorn die Faust um die Muscheln in ihrer Tasche geballt. »Willst du werden wie der Acherus? Willst du das wirklich?«
    Munk schwieg für einen Moment, so als lausche er in seinen Gedanken auf neue Einflüsterungen, auf eine Antwort, die jemand anders ihm eingab.
    »Ich…«, begann er, verstummte aber gleich wieder, als hinter ihm eine zweite Gestalt erschien. Sie löste sich aus der tobenden Säule des Mahlstroms, als hätte das Wasser selbst sie geboren. Im ersten Augenblick war Ainas Körper durchscheinend, doch im Näherkommen gewann er an Farbe und Konsistenz.
    Jolly war es, als gefriere um sie herum das Meer, so kalt war ihr plötzlich. Dabei hatte sie erwartet, dass früher oder später jemand . etwas in Gestalt des Mädchens erscheinen würde.
    Ainas Ebenbild schwebte aus dem Mahlstrom, und in dem Moment öffnete sich die wirbelnde Wand einen Herzschlag lang wie ein Vorhang. Durch den Spalt konnte Jolly einen kurzen Blick in das Innere der Wassersäule werfen, ein blitzschnelles Blinzeln geradewegs in die Seele des Mahlstroms.
    Dort drinnen war nichts als Dunkelheit, ein nachtschwarzer Abgrund aus Leere.
    »Munk!«, rief Jolly beschwörend, bevor Aina nahe genug heran war, um sie aufzuhalten. Das Meer aus Muscheln unter ihnen am Boden schien zu vibrieren, als wüteten darunter die Ausläufer eines Erdbebens. »Sie wird uns beide zu ihren Sklaven machen. Das kannst du doch nicht wollen.«
    Das Mahlstrommädchen war nur noch einen Steinwurf entfernt. Es benötigte keine Schwimmbewegungen, um näher zu kommen; es ritt auf einer Strömung, die die tosende Wassersäule wie einen Windstoß ausgesandt hatte.
    Jolly überbrückte den Abstand zu Munk mit einem Schwimmstoß. Im ersten Moment sah es aus, als wollte er vor ihr zurückweichen, doch dann schwebte er weiter auf der Stelle und hielt ihrem Blick mit sichtbarer Mühe stand. Ein Flehen war in seinen Augen, das sie nicht sehen wollte. Sie verstand es nicht, verstand ihn nicht.
    Sie packte ihn an den Oberarmen. »Munk, bitte…

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