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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Soledad.
    Ein kräftiger Windstoß packte sie und ließ ihr Haar um ihr Gesicht tanzen. Diesmal aber waren es nicht die Schlangenschwingen, die die Luft auf dem Dach zum Wirbeln brachten.
    »Das erledigen wir«, rief D’Artois von seinem Rochen herab. Die eckige Silhouette des Tiers verdunkelte über ihnen den Himmel, aber sie warf keine Schatten, weil das Licht der Schlange den Dachboden erhellte. Niemand hatte bemerkt, dass der Rochen sich von oben herabgesenkt hatte, so gebannt waren sie alle von dem Schlangenwesen.
    Im Gefolge des Hauptmanns schwebten zwei weitere Flugrochen, bemannt mit Reitern und Schützen. Der Glanz des Schlangengottes spiegelte sich auf dem Muschelbesatz ihrer schwarzen Lederuniformen. Die Soldaten starrten verstört auf das Geschöpf im Zentrum des Lichtscheins. Einer der Schützen hatte eine Büchse auf die Schlange gerichtet, doch D’Artois hob rasch eine Hand und ließ ihn die Waffe wieder senken.
    »Ich habe Verrückteres in dieser Stadt gesehen als eine Schlange mit Flügeln«, sagte er. Soledad schauderte bei der Vorstellung, welchen Kreaturen der Hauptmann während seiner Jahre in Aelenium begegnet sein mochte. Noch älteren, noch größeren als die Seeschlange in der Unterstadt?
    Ihr kam ein Gedanke. »Sie haben gewusst, was aus ihm werden würde!« Die Worte waren an D’Artois gerichtet, aber sie deutete dabei auf die fliegende Schlange.
    »Nicht bei seiner Ankunft«, erwiderte der Hauptmann. »Aber als die Verpuppung eingesetzt hat . Nun, sagen wir, Aelenium hat auf manche eine ganz erstaunliche Wirkung. Es bringt in einigen von uns Dinge zum Vorschein, die anderswo vielleicht verborgen geblieben wären.«
    Und das war eine so treffende Beobachtung, dass sie alle es dabei beließen und sogar Walker sich jede weitere Bemerkung verkniff. Denn eines stand fest: D’Artois’ Feststellung traf nicht nur auf den Wurm, sondern in gewisser Weise auf jeden von ihnen zu.
    Aus der Gassenschlucht unter den Rochenreitern drang Lärm herauf. Die Zusammenkunft in den Lüften über dem Haus hatte längst die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich gezogen, und nun traf die zweite Angriffswelle von Tyrones Truppen ein. Schüsse peitschten, und einer der Rochen schüttelte sich, als eine Kugel in seine Unterseite schlug. Bei einem Tier dieser Größe war ein einzelner Treffer nicht zwangsläufig tödlich, doch mehrere würden den Giganten zu Fall bringen.
    D’Artois brüllte Befehle, und sogleich fächerten die drei Rochen auseinander. Wie immer waren ihre Bewegungen behäbig, ihre Reaktionen gemächlich. Die Schützen eröffneten das Feuer in die Tiefe - und doch waren nicht sie es, die die Gefahr fürs Erste bannten.
    Wie ein Blitz schoss die geflügelte Schlange vorwärts, wand sich im Flug zwischen den auseinander driftenden Rochen hindurch, sauste über den Rand des Dachbodens hinweg und steil in die Tiefe.
    Grauen erregendes Gebrüll gellte aus der Gasse herauf, Schreie aus vielen Kehlen. Doch als Soledad ihre Erstarrung überwand, mit den anderen zur Dachkante lief und in die Tiefe blickte, war der Kampf bereits beendet -falls man das, was dort unten geschehen war, überhaupt so nennen konnte. Die Schlange hatte die Heerschar aus Piraten und Kannibalen in Sekundenschnelle niedergemäht. Soledad bekam eine Gänsehaut, als sie die Überreste eines Körpers zu beiden Seiten des Schlangenmauls in die Tiefe stürzen sah.
    Ein zweiter Angriff von unten blieb aus. Falls andere Männer aus Tyrones Flotte mit angesehen hatten, was geschehen war, so blieben sie auf Distanz. Allerdings bezweifelte Soledad, dass es allzu viele Zeugen gab. Die Attacke der Schlange war blitzschnell und gründlich gewesen, und aus größerer Entfernung verschleierte noch immer der Rauch die Sicht.
    Merklich blass geworden, gab D’Artois einen kurzen Befehl an einen seiner Männer. Er senkte seinen Rochen herab, und Buenaventure half dabei, den murrenden, aber noch nicht gänzlich erwachten Griffin zwischen den Soldaten im Sattel zu sichern. Das Tier hob wieder ab und trug Griffin davon, den Berg hinauf, in Richtung des Schlachtengetümmels am Wall.
    Soledad, Walker und Buenaventure verteilten sich auf die beiden anderen Rochen, und bald schwebten sie alle über die Korallengiebel Aeleniums hinweg, dem oberen Verteidigungswall entgegen.
    Die geflügelte Schlange folgte ihnen in kurzem Abstand. Seit ihrem Angriff auf Tyrones Leute hatte sie nicht mehr gesprochen. Das Licht, das sie umwaberte, verblasste allmählich, so als

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