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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Agus
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überholen zu lassen, wenn man gar niemanden in seiner Nähe haben möchte?
    Bei ihrer Ankunft fand sie nicht nur ihren alten Ehemann vor, sondern auch Sohn und Enkel und eine Haushälterin, die sich den Anschein gab, als wäre sie dort zu Hause.
    Mrs. Johnson klingelte bei mir. Sie war sehr elegant, machte aber eine ziemlich unglückliche Miene. Sie fasste sich ans Herz und war außer Atem.
    »Entschuldigen Sie, störe ich Sie? Ich bin die Signora von oben.«
    »Ich weiß, wir sind uns ja schon einige Male begegnet.«
    »Ach so, jedenfalls wollte ich mich bei Ihnen bedanken. Man hat mir gesagt, Sie hätten sich um meine Rosen gekümmert. Es ist eine Sorte aus dem neunzehnten Jahrhundert, müssen Sie wissen. Ich habe sie eigens aus Frankreich kommen lassen, es sind Bourbon-Rosen, und zwar Madame Pierre Oger und Louise Odier, um genau zu sein.«
    »Kommen Sie doch herein. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
    »Nein, danke«, sagte sie mit der brüchigen Stimme eines gekränkten Menschen. »Wie ich sehe, arbeitet die Signora von unten jetzt in meiner Wohnung. Ich wusste zunächst nicht, wer sie ist, aber als ich dann hineingegangen bin, habe ich sie wiedererkannt, und zwar an den Sachen, die sie trägt, mit diesen schrecklichen Mustern, die in den Augen wehtun, eine Mischung aus Karos, Blumen und Tupfen. Finden Sie nicht auch, dass sie in den Augen wehtun? Wobei ich an ihrer Arbeit nichts auszusetzen habe, alles ist ordentlich aufgeräumt und tadellos sauber. Nur dass sie auf der Terrasse Margeriten gepflanzt hat, diese gewöhnlichen Blumen, die obendrein unangenehm riechen. Wie auch immer, vielen Dank nochmals, dass Sie sich um meine Rosen gekümmert haben.« Dann drückte sie mir die Hand und ging wieder.
    Seither klingelt sie jeden Tag unter irgendeinem Vorwand an meiner Tür.
    »Kommen Sie herein!«, sage ich. »Setzen Sie sich.«
    »Oh, lassen Sie sich bitte nicht stören!« Und bleibt in der Tür stehen.
    Aber eines Tages nahm sie meine Einladung an, und ich bat sie, auf dem roten Sofa mit dem flauschigen Wollbezug im Wohnzimmer Platz zu nehmen, das auf die Straße hinausgeht. Sie in die Küche zu bitten, die auf den Hof hinausgeht, fand ich keine so gute Idee, denn dann hätte sie den Buckingham Palace gesehen.
    »Ich habe die Zeitungsartikel über das Konzert von meinem Mann gelesen. Diese Journalisten schreiben einen Haufen Unsinn. Er hatte nie Depressionen. Er lebt einfach nur in seiner eigenen Fantasiewelt, und wenn er dann merkt, dass die wirkliche Welt eine ganz andere ist, leidet er. Irgendwann beschloss er, nicht mehr in der Öffentlichkeit aufzutreten und keine Platten mehr aufzunehmen, weil ihm der Erfolg völlig gleich ist. Er hätte durchaus noch Konzerte geben können, und in der ganzen Welt hätte man ihm den roten Teppich ausgerollt, in New York, Tokio, Paris. Zu seinen Glanzzeiten hat man ihn mit einer Limousine abgeholt, aber er sagte, er mag es nicht, hin und her geschüttelt zu werden. Hin und her geschüttelt! Als würde man in einer Limousine oder in einem Erste-Klasse-Zugwaggon hin und her geschüttelt! Auch wollte er sich nicht von dem Kind trennen – es kam erst, nachdem wir seit vielen Jahren verheiratet waren. Und von unserem Badezimmer mit den hübschen Fliesen und den Gummitieren auf dem Wannenrandwollte er sich auch nicht trennen. Wussten Sie, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt, aus einer armen, ungebildeten Familie? Von der Mutter mal abgesehen. In ihren Pariser Zeiten gehörte sie den vornehmen Kreisen an. Sie studierte Violine, aber als die Nazis Paris besetzten, schickten ihre Eltern sie zu Verwandten nach Amerika, Juden, die vor vielen Jahren emigriert waren. Als ich sie kennenlernte, war von ihrer früheren Eleganz nicht mehr viel zu spüren, aber man merkte noch immer, dass sie eine gute Bildung genossen hatte. Doch um ehrlich zu sein, ich an ihrer Stelle hätte dem Kuhmist von Oklahoma die Gaskammern vorgezogen. Sie hingegen war glücklich und trauerte den vergangenen Zeiten offenbar nicht nach.«
    »Sie meinen, den Gaskammern?«
    Statt auf meine Frage zu antworten, fuhr sie fort: »Ihr Sohn, also mein späterer Mann, erhielt ein Stipendium auf dem College in Amerika, auf das mich meine Eltern ebenfalls geschickt hatten, aus Sardinien. Als wir uns kennenlernten, waren wir beide erst sechzehn. Er faszinierte mich. Ich war verrückt nach ihm. Er spielte Geige. Aber schon damals war er seltsam. Statt sich im Orchester mit seinem Können hervorzutun, verbrüderte er sich

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