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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Agus
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mit seiner Violine. Denn er war wirklich ein großer Violinist. Nur dass er es nicht verstand, sein Talent zu Geld zu machen. Er verzichtete auf die lukrativsten Verträge, weigerte sich, Interviews zu geben. Er hat nicht die geringste Ahnung von guten Manieren, gibt jedem Impuls nach. So kann es zum Beispiel passieren, dass er einschläft, wenn ihn ein Gespräch langweilt. Und das, was er einnahm, gab er unbedacht wieder aus. Bald war er umgeben von Leuten, die begriffen hatten, dass man nur zu bitten brauchte, und schon bekam man den gewünschten Betrag. Deswegen ist nur das übrig geblieben, was ich mit in die Ehe brachte. Manchmal fragte ich mich, ob er tatsächlich so gutherzig ist. Oder einfach nur dumm. Jedenfalls ist er verhaltensgestört. Wie auch immer, wenigstens ist es mir gelungen, ihn zum Kauf des besagten Hauses zu überreden. Aber nie benahm er sich wie ein normaler Mensch. Anstatt sich am Strand aufzuhalten, um sich mit Leuten zu unterhalten, mit denen er wichtige Kontakte hätte knüpfen können, zog er es vor, auf den Felsen herumzuklettern und Napfschnecken zu suchen. Immer wieder kamenLeute zu unserem Strandplatz, um den großen Violinisten zu begrüßen und ihn zu seinem Erfolg zu beglückwünschen. Aber ich konnte noch so mit beiden Armen winken und ihn rufen, er tat einfach, als hörte er mich nicht, obwohl die Felsen gar nicht weit entfernt waren. Im Übrigen konnte er sich sicher sein, dass niemand zu ihm hinüberschwimmen würde, schon gar nicht die Frauen, weil sie die frisch gelegten Haare nicht ruinieren und den eleganten Pareo nicht ablegen wollten oder weil sie sich kurz zuvor mit Sonnenmilch eingecremt hatten, wie er sagte. Erst als das Kind da war, hielt es ihn an unserem Strandplatz, um mit dem Kleinen zu spielen. Er wälzte sich mit ihm im Sand, baute mit ihm Sandburgen, und wenn sich jemand näherte, tat er, als müsste er dringend einen Turm oder eine Brücke oder eine Festung aus Sand errichten. Und wenn uns jemand nach Hause einlud, war er wie immer ein Spielverderber und sagte: ›Was willst du denn in diesen Gefängnissen?‹ Wohl oder übel ging ich dann allein hin, aber ich tat es um seinetwillen, um Beziehungen mit diesen wichtigen Menschen zu knüpfen. Und von wegen Gefängnisse, rauschende Partys waren es. Auf den breiten Kiesauffahrten zu den Villen war der blaue Himmel nur zu erahnen, weil die hohen Baumkronen ein Blätterdach bildeten. Erst wenn man sich dem Ende der Auffahrt näherte, öffnete sich der grüne Baldachin allmählich und immer mehr Blau kam zum Vorschein, bis man sich auf einem weitläufigen Rasen wiederfand, auf dem Kellner mit Tabletts voller Kristallkelche umhereilten. Der Rasen war gesäumt von farbenprächtigenBlumenbeeten, und die Spitzendecken der festlich gedeckten Tische blähten sich in der leichten Brise. Meistens gelang es mir tatsächlich, einen Kontakt für ein mögliches Konzert herzustellen, und ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und ihm davon zu erzählen. Doch er meinte nur, diese Leute hätten ihn noch nie spielen gehört, wüssten ihn nicht wirklich zu schätzen, sondern hätten nur in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gehört, dass sich ein berühmter amerikanischer Violinist der Liebe wegen auf Sardinien niedergelassen hatte. Schließlich überredete er mich, das Haus zu verkaufen und stattdessen eine Hütte oder, besser gesagt, einen Bretterverschlag auf einer Fischerinsel zu kaufen, die man nur mit der Fähre erreicht, was stets mit einer stürmischen Überfahrt verbunden ist. Mit einem Wind, der einen davonzutragen droht. Wenigstens stand unsere kleine Hütte in der Nähe einiger einsamer Strände. Man musste nur durch eines der Gittertore treten, die in einer langen weißen Mauer eingelassen waren, die die Macchia, garstiges, dorniges Gestrüpp, das einem Arme und Beine zerkratzte, und einen armseligen Gemüsegarten trennte, wo im Grunde nur Tomaten wuchsen. Noch immer ist mir der eklige Anblick der am Boden zerquetschten violetten Feigen in lebhafter Erinnerung und die abgesehen vom Zirpen der Zikaden beängstigende absolute Stille. Schön ist sie schon, diese Insel. Aber mir gefiel es dort nicht. An bestimmten Stellen ist das Wasser himmelblau, an anderen wiederum intensiv türkis, und es gibt viele Fische und anderes Getier,doch ich schwimme nicht gern über felsigem Meeresgrund, wo man sich nirgends hinstellen kann, weil man sich sonst an den Füßen wehtut. Anstatt langsam aus dem Wasser zu steigen, muss

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