Die Welt aus den Fugen
erlebt hatte und sich nunmehr die Prinzipien westlicher Demokratie zu eigen machte, ein Exempel dafür, wie weltweit alle übrigen Bürger diktatorischer Regime zur Freiheit finden könnten.
Barack Obama scheint erkannt zu haben, daà nicht mehr der atlantische Raum für die Gestaltung des Jahrhunderts maÃgeblich sein wird, sondern daà am asiatischen Gegenufer des Stillen Ozeans die Weichen gestellt und die USA in eine unerbittliche Kraftprobe gezogen werden. Ãberraschend ist es nicht bei einem Präsidenten, der auf Hawaii zur Welt gekommen und in Indonesien aufgewachsen ist. Bei Merkel hingegen gewinnt man den Eindruck, daà ihre Erziehung in der DDR ihre auÃenpolitische Sicht prioritär auf Ost- und Nordeuropa ausgerichtet und ihre globale Wahrnehmung eingeengt hat. Die lateinische und katholische Welt bleibt ihr fremd, und die USA, die sie wie die meisten ehemaligen DDR-Bürger nach der Wende als gesellschaftliches Vorbild verklärte, scheinen sie gründlich ernüchtert zu haben.
Deutschland erlebt zur Zeit ein wirtschaftliches Wachstum, eine schrumpfende Arbeitslosigkeit und eine soziale Sicherheit, die Merkel höchste Popularitätsraten einbringen müÃten. Statt dessen sinkt ihr Stern im Ansehen der Bürger. Das liegt an der heillosen Koalition, die sie mit Guido Westerwelle und der FDP eingegangen ist. Niemand konnte ahnen, daà diese Partei in der Gunst des Publikums so schnell und so gründlich absacken würde. Heute hegt man bereits Zweifel, ob die FDP im nächsten Bundestag überhaupt noch vertreten sein wird. Der Bündnispartner ist für die Christlich DemoÂkratische Union zu einem Klotz am Bein geworden, während die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die »Erfolgspartei« par excellence, mit ihrer bislang treuen Wählerschaft befürchten muÃ, daà sie von den siegestrunkenen Grünen überholt wird. Wäre Verteidigungsminister zu Guttenberg nicht über die Plagiate in seiner Doktorarbeit gestrauchelt, hätte man fast mit Sicherheit darauf setzen können, daà ihm beim nächsten Urnengang die Kanzlerschaft in den Schoà gefallen wäre. Aber seitdem ist keine überzeugende Führungspersönlichkeit in Sicht, und das innenpolitische Gezerre, das bei jeder Landtagswahl neu angeheizt wird, droht sich für die anstehenden groÃen Entscheidungen lähmend auszuwirken.
Während Deutschland noch vor zwei Jahren als Motor der europäischen Einigung gepriesen wurde, sieht sich das Land, dessen Politiker und Medien das Interesse am kontinentalen Zusammenschluà verloren zu haben scheinen, einer plötzlichen Isolation ausgesetzt. Fatal wirkt sich aus, daà die Berliner Koalition als einzige Regierung Europas und der NATO sich â im Verbund mit China und RuÃland â der Stimme enthielt, als es darum ging, im Sicherheitsrat das Flugverbot über Libyen zu verhängen. Seither gilt Berlin in Paris, aber vor allem auch in Washington als unsicherer Faktor, zumal Merkel gehofft hatte, durch den Affront gegen das westliche Bündnis eine Mehrheit der Wählerschaft bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg hinter sich zu bringen.
Die radikale Absage des deutschen Bundestages an die Atomenergie, die unter der Schockwirkung von Fukushima zustande gekommen ist, hinterläÃt bei manchen Partnern der internationalen Gemeinschaft den Eindruck, als solle am deutschen Wesen die Welt genesen. Auf der Welle dieses mit religiöser Inbrunst vorgetragenen Verzichts auf die Nuklearwirtschaft ist die Partei der Grünen zu einem unverzichtbaren Koalitionspartner von morgen geworden, ja manche hegen die Hoffnung, sie könnte den künftigen Bundeskanzler stellen. Bei dieser Frontstellung gegen das Atom â für das es gute Gründe gibt â wurde jedoch übersehen, daà die nuklearen Waffenarsenale der Streitkräfte der USA, RuÃlands, Chinas, Frankreichs, Pakistans und vor allem Israels für die Staaten unverzichtbar bleiben, daà diese atomaren Systeme von Zeit zu Zeit erneuert werden müssen und mindestens so viel radioaktiven Restbestand erzeugen wie die zivilen Atommeiler.
Hinzu treten wirtschaftliche Spannungen. Man war es gewohnt, daà die USA der Dumping-Politik Chinas vorwarfen, die amerikanische AuÃenhandelsbilanz negativ zu beeinflussen. Nun werden ähnliche Vorwürfe â wenn auch mit anderen Argumenten â an
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