Die Welt aus den Fugen
ist.
In der modernen Technologie ist die amerikanische Produktion â soweit sie sich auf militärische Rüstung ausrichtet â bis auf weiteres kaum zu übertreffen. Aber es sollte den amerikanischen Kongreà zutiefst beunruhigen, daà die minder- und mittelwertigen Waren, die in »Godâs own country« angeboten werden, überwiegend aus China stammen, während die Luxusobjekte in Europa fabriziert werden.
Auf unglaubliche Weise hat sich die bisherige amerikanische Führungsmacht gegenüber China verschuldet. Peking verÂfügt über amerikanische Schatzanleihen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar. Die einzige Chance Washingtons liegt darin, daà China weiterhin auf den amerikanischen Markt angewiesen bleibt und ein Sturz des US-Dollars eine drastische Entwertung der eigenen Devisenmasse auslösen könnte. In einem sollten sich Bewunderer und Kritiker der USA einig sein: Von einem amerikanischen globalen Herrschaftsmonopol kann nicht mehr die Rede sein. Wie die multipolare Welt von morgen aussieht, weià niemand zu sagen.
Sarkozys Krieg
05. 09. 2011
Natürlich geht in Libyen nun die Frage um, auf welche Weise der Diktator Muammar el-Qadhafi zur Strecke gebracht wird. Steht ihm das Schicksal des Irakers Saddam Hussein bevor, der nach langen Monaten einer unermüdlichen Jagd in seinem Erdversteck aufgespürt wurde und dann am Galgen endete? Oder wird er sterben wie Osama Bin Laden, der nach zehnjähriger Suche in Pakistan von einem Seal-Commando der Amerikaner überrascht und erschossen wurde?
Ein Teil der Familie des gestürzten Machthabers hat in gepanzerten Limousinen die Grenze nach Algerien passiert. Und es gibt auch einige Staaten im südlichen Afrika, die bereit wären, dem libyschen Revolutionsführer, der sie während ihrer Unabhängigkeitskämpfe mit Geld und Waffen unterstützte, Asyl zu gewähren.
Die Gegenwehr der libyschen Regierungstruppen gegen die Hammerschläge der NATO-Luftwaffe hat gezeigt, daà Qadhafi in seinem Land über eine beachtliche Zahl von Anhängern verfügt. Die Rebellion gegen den Diktator hatte in der ersten Phase in dem an Ãgypten grenzenden Territorium begonnen und in Bengasi die Macht an sich gerissen. Dort hatte stets eine aufsässige Stimmung gegen Qadhafi geherrscht. In dieser Region ist weiterhin die fromme islamische Bruderschaft der Senussi beheimatet.
Die Revolution hat in Libyen gesiegt. Aber die Probleme des riesigen Wüstenlandes, das durch seinen Ãlreichtum und seine strategische Lage eine globale Bedeutung beanspruchen kann, sind in keiner Weise geregelt. Panzertruppen Qadhafis standen unmittelbar vor den Toren von Bengasi und hätten den dortigen Aufstand im Blut erstickt, wenn nicht der französische Staatschef Nicolas Sarkozy seine Kampfflugzeuge gegen die vorrückenden Kolonnen der Regierungstruppen ausgeschickt hätte. Durch die systematische Vernichtung des gepanzerten Angriffskeils aus der Luft wurde der Angriff zum Stehen gebracht.
Schon nennt man die Kämpfe in Libyen Sarkozys Krieg. In Paris sind sämtliche Parteien stolz darauf, daà die eigene Luftwaffe im Verbund mit der britischen Royal Air Force eine militärische Entscheidung erzwang, während die Amerikaner zwar die unentbehrliche logistische Unterstützung lieferten, sich an den Bombardierungen jedoch nur sporadisch beteiligten. In den ersten Monaten war es nicht erwiesen, daà Qadhafi in der Schlacht um Tripolis den kürzeren ziehen würde, zumal er sich auf afrikanische Söldner aus dem Tschad und aus Mali stützte: Er besaà sogar eine Chance gegen die chaotisch operierenden Freiheitskämpfer, wenn nicht Briten und Franzosen mit Spezialtrupps ihrer Elite-Kommandos die strategischen Ziele signalisiert und eine militärische Planung entworfen hätten. Ganz ohne infanteristische Unterstützung kommt ein Luftkrieg nicht aus, zumal wenn er sich den Schutz von Zivilisten zum Ziel gesetzt hat.
Mit Sicherheit werden GroÃbritannien und Frankreich nicht der fehlerhaften US-Strategie verfallen und mit einem massiven Truppenaufgebot in die bevorstehenden Wirren Libyens eingreifen. In Bengasi hat sich zwar ein Nationaler Ãbergangsrat gebildet. Die entscheidende Frage aber lautet: Wird er von den unerschrockenen Partisanenführern akzeptiert, die dem Granatenhagel der Qadhafi-Armee widerstanden und schwere Verluste erlitten haben? Bei den meisten
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