Die Welt aus den Fugen
er sich zu konsolidieren. Und wir hätten dann wieder einen Staat, der viele andere Staaten als Feinde betrachten würde.
Wie schwer wird es jetzt werden, Qadhafi zu besiegen?
Qadhafi hat natürlich relativ viel militärisches Material, auch russisches. Aber seine Boden-Luft-Abwehr ist durch die Cruise-Missiles der Amerikaner ziemlich lahmgelegt worden. Seine Luftwaffe kann nicht mehr operieren. In dem Moment aber, wo man die Lufthoheit über Libyen hat, kann man auch die libyschen Panzer abschieÃen. Die Frage ist, wie stark Qadhafi noch in der Hauptstadt Tripolis ist, wo ein Drittel der libyschen Bevölkerung lebt.
Den Aufstand im eigenen Land hätte er ohne Intervention von auà en niederhalten können, oder?
In dem Moment, als Qadhafi mit seinem überlegenen, teils vom Westen gelieferten Material antrat, als er seine geschulten Soldaten und Söldner einsetzte, hatten diese Amateure in der Cyrenaika im Osten des Landes keine groÃe Chance. Ohne ausländische Intervention wäre Bengasi in drei Tagen besetzt gewesen â und der Aufstand vorbei. Und Qadhafi hätte dann wieder fest im Sattel gesessen.
Welche Rolle spielt die Wüste für den Krieg?
Diese libysche Wüste ist ja ein ganz plattes Terrain und eignet sich nicht für die Entfaltung von konventionellen Streitkräften. Qadhafi ist aber darauf angewiesen, einen konventionellen Krieg zu führen â und da ist er natürlich kraà unterlegen. Er kann in der Wüste keinen Partisanenkrieg führen, wie es der Vietcong oder die Afghanen getan haben, die dann praktisch unschlagbar waren.
Wann wird sich Qadhafi ergeben?
Gar nicht. Er wird sich bis zuletzt wehren. Ob er wie Hitler im Bunker umkommen will, weià ich nicht. Aber er hat ja noch Tricks auf Lager: Er bietet zum Beispiel immer mal wieder einen Waffenstillstand an. Die Westmächte sind auch nicht scharf darauf, ihn umzubringen und zum Märtyrer zu machen. Es genügt aber nicht, daà Muammar el-Qadhafi entfernt wird, es muà vielmehr der ganze Clan entfernt werden. Sein Sohn Saif el-Islam ist ein begabter Mann: Er ist klüger als sein Vater â aber nicht vertrauenswürdiger.
Sie sind Qadhafi in den 1970er Jahren erstmals begegnet. Wie wirkte er damals auf Sie?
Das war auf einer christlich-islamischen Konferenz in Tripolis, damals machte er einen ganz munteren Eindruck. Er war selbstbewuÃt, ein biÃchen arrogant, und er zog sich noch vernünftig an. Auch war er ganz höflich im Umgang.
Sie haben ihn noch öfter getroffen. Wie hat er sich verändert?
Er leidet inzwischen zweifellos an Paranoia. Vielleicht ist er auch schizophren. Es gab aber eine Zeit, als er gut aussah. Wenn er dann auf seinem weiÃen Schimmel angeritten kam, fielen ihm die Herzen der europäischen Damen zu. Heute sieht er aus, als würde er Drogen nehmen. Das heiÃt aber nicht, daà er nicht noch ganz gute Reflexe und Instinkte hätte.
Qadhafi hat jetzt einen »langen Krieg ohne Grenzen« angekündig t. Steigt damit die Terrorgefahr auÃerhalb Libyens?
Das ist doch alles Geschwätz. Qadhafi hat auch keine Beziehungen zu El Qaida, mit der er jüngst gedroht hat â die gibt es sowieso allenfalls noch rudimentär.
Den Krieg zum Schutz der Zivilbevölkerung hat erst die UNO mit der Resolution 173, dann auch die Arabische Liga erlaubt â ungewöhnlich, oder?
Das war wirklich eine groÃe Ãberraschung. In der UNO gab es nicht das Veto von China und RuÃland, womit man gerechnet hatte. Beide Staaten haben sich enthalten â was Deutschland in schändlicher Weise mitgemacht hat. Und dann war zur Ãberraschung aller die Arabische Liga auch dafür, daà da eingegriffen wird.
Inzwischen rudert die Liga aber wieder zurück.
Die Araber sehen jetzt, daà es bei einem solchen Krieg zivile Opfer gibt â das ist nun mal so. Der jeweilige Machthaber, in diesem Fall Qadhafi, legt es ja auch darauf an.
Sie kritisieren die deutsche Enthaltung. Warum?
Die deutsche Enthaltung war eine sagenhafte Dummheit. AuÃenminister Guido Westerwelle hat sich zuerst auf dem Tahrir-Platz in Ãgypten umjubeln lassen, dann ist er verbal gegen Qadhafi zu Felde gezogen. Aber als es darum ging, einer Flugverbotszone zuzustimmen, um die zivile Bevölkerung vor Bomben zu schützen, da enthielt er sich im Auftrag von Frau Merkel der Stimme. Das wirkte von auÃen wie eine Feigheit.
Was
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