Die Welt aus den Fugen
die SpitzentechnoÂlogie, in der die Amerikaner immer noch führend sind, die alte griechische Erkenntnis zu bestätigen scheint, wonach der Krieg Vater aller Dinge sei. Aber diese Wunderwaffen, mit denen das Pentagon die übrige Welt immer wieder überrascht, erscheinen problematisch, wenn sie sich als unfähig erweisen, primitive Partisanentrupps auszuschalten oder eine dauerhafte Befriedung zu garantieren. Der Verdacht stellt sich ein, daà die maÃlose Geldverschwendung der Rüstungsindustrie vor allem Âeiner exklusiven Schicht der Finanzhaie und Spekulanten zugute kommt, die die unsinnigsten kriegerischen Unternehmen als Quelle ihrer persönlichen Bereicherung nutzen.
Diese Ãberlegungen sind dem Durchschnittsamerikaner fremd. Weder die militärischen Fehlleistungen noch die zunehmende auÃenpolitische Isolation, die den USA langfristig droht, beeinflussen das breite Publikum. Bei der kommenden Schlacht ums WeiÃe Haus kommt es darauf an, wie hoch die Zahl der Arbeitslosen ist. Und ob die USA noch in der Lage sind, bei der Produktion von Konsumgütern der chinesischen Konkurrenz standzuhalten.
Man mag sich in Washington und an der Wall Street über die Hilflosigkeit der Europäischen Union und vor allem der Euro-Zone mokieren. Aber im Grunde wäre der Zustand Amerikas mit dem Griechenlands zu vergleichen, wenn man in den USA nicht über die Möglichkeit verfügte, ständig neue Dollar-Milliarden zu drucken. In Peking könnte eines Tages der Stab gebrochen werden über eine immer noch weitverbreitete Ãberzeugung, das Schicksal der Märkte werde in New York entschieden.
Immerhin hat Obama eingesehen, daà er den chinesischen Koloà nicht frontal angehen kann. So versucht er, die eigene Serie von Pleiten und Insolvenzen auf die Europäer abzuwälzen und diese zu infizieren. Die Begeisterung für ihn ist bei den Europäern längst erloschen, seit die amerikanischen GroÃbanken mit seinem Segen einen regelrechten Diffamierungsfeldzug gegen ihre europäischen Konkurrenten angetreten haben.
An dieser Stelle soll daran erinnert werden, daà die Finanzkrise von 2008 durch die Betrügereien der Bank Lehman Brothers ausgelöst wurde. Bedenkt man im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, daà das verschuldete Griechenland den Hafen Piräus für dreiÃig Jahre an China verpachtet hat und auch andere Staaten der Euro-Zone auf die Idee kommen könnten, in Peking jene Milliardenkredite zu suchen, die dort im Ãberfluà gehortet sind?
Europas Versagen
24. 10. 2011 3
Jenseits des Mittelmeers und im ganzen Orient hat sich eine verblüffende Serie von politischen Umbrüchen vollzogen, der die Europäer ratlos gegenüberstehen und die von ihnen hoffnungsvoll »Arabischer Frühling« genannt wurde. Meine Absicht ist es nicht, die jüngsten Ereignisse in ihren Einzelheiten darzustellen. Vielmehr möchte ich eine Momentaufnahme skizzieren vom jetzigen Stand der sogenannten Arabellion. Bei näherem Zusehen wird sich die ursprüngliche Begeisterung des Westens über den »Arabischen Frühling« schnell eintrüben.
Um mit Tunesien zu beginnen: Dort kündigt sich innerhalb einer Myriade von Partei-Neugründungen die traditionelle islamische Bewegung »En Nahda« â zu deutsch »Aufschwung« oder »Erneuerung« â laut Meinungsumfragen als die stärkste Formation an.
In Ãgypten hat der Verteidigungsminister des gestürzten Diktators Mubarak, Feldmarschall Tantawi, die Macht übernommen und die Euphorie des Tahrir-Platzes einer kalten Dusche ausgesetzt. Vom Ausgang der angekündigten Wahlen hängt es ab, ob die straffe Organisation der Muslimbrüder sich als bedeutendste politische Kraft durchsetzen wird. Unklar bleibt, welches Verhältnis sich zwischen dem politischen Islam und dem herrschaftsgewohnten Militär herausschälen wird.
Zur Stunde ist nicht entschieden, ob Libyen durch tribale Gegensätze und den Streit über das Verhältnis von Staat und Religion auf einen Bürgerkrieg zutreibt.
Das gleiche gilt in stärkerem Maà für die Arabische Republik Syrien, wo die Ausschaltung des Präsidenten Bashar el-Assad und seiner alawitischen Glaubensbrüder unübersehbare Folgen nach sich zöge.
Seltsamerweise hat sich innerhalb der westlichen Allianz keine Stimme von Gewicht gemeldet, um die extrem reaktionäre und unduldsame
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