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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Grenzen hat. Wir sprechen also von einer Auseinandersetzung, deren Abschluß nicht absehbar ist.
    Als Kopf der Anschläge vom 11. September 2001 gilt Bin Laden …
    Das bezweifle ich. Osama Bin Laden war zweifelsohne ein charismatischer Mann und ein sehr guter Redner. Und er hat sicher in Afghanistan gelegentlich auch ganz wacker gekämpft. Man darf nicht vergessen, daß seine militärische Rolle begonnen hat, als er in Zusammenarbeit mit der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst den Widerstand gegen die Sowjets in Afghanistan organisierte. Damals hat er mit Riesensummen, die ihm in Saudi-Arabien zur Verfügung standen, die grünen Legionen, die man El Qaida nennt, mit Männern aus aller Welt zusammengestellt. Daß er kein Freund der Amerikaner werden würde, war klar. Bin Laden hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß er sich wie gegen die Sowjets auch gegen die USA stellen würde. 9/11 aber hätte er von Afghanistan oder Pakistan aus nicht organisieren können.
    Getötet wurde er aber in Pakistan.
    Er wurde wegen seiner USA-feindlichen Haltung in Saudi-Arabien ausgebürgert, ging zunächst in den Sudan und kehrte von dort aus nach Afghanistan zurück. Wo er Freunde und Helfer hatte. Zudem haben die Paschtunen ein striktes Gesetz zum Schutz ihrer Gäste. Deswegen haben sie ihn auch nicht an die USA ausgeliefert. Dann ging Bin Laden nach Pakistan – was ohne Zustimmung des nahezu allmächtigen Geheimdienstes nicht denkbar gewesen wäre.
    Warum hat es so lange gedauert, bis Osama Bin Laden erwischt wo rden ist?
    Das zeigt eben doch die Begrenztheit der Mittel, über die wir verfügen. Der Mann hatte in den letzten Jahren keinen nennenswerten Einfluß mehr auf Terroroperationen gehabt. Weder in Afghanistan noch in Pakistan. Er war zudem darauf angewiesen, seine wenigen Aussagen per Boten zu übermitteln. Und diese Boten sind nach und nach identifiziert worden. Der erste Versuch der Amerikaner, Bin Laden zu töten, ging schief, als er sich in den Tora-Bora-Höhlen in Afghanistan versteckte. Die Amerikaner haben den Fehler gemacht, nicht mit eigenen Truppen vorzugehen, sondern die afghanischen Verbündeten vorzuschicken. Die aber spielen immer auf zwei Schultern und Osama Bin Laden ist entkommen.
    Und auch viele seiner Weggefährten sind tot. Was bedeutet dies für sein Gedankengut, für seine Ideen?
    Ãœberhaupt nichts. Es hat nach Bin Ladens Tod und dem der Gefolgsleute auch keine großen Kundgebungen gegeben. Außer in Pakistan, aber dort wurde eher gegen die Verletzung der Souveränität des Landes protestiert als gegen die Tötung Bin Ladens. Er wurde schließlich auf pakistanischem Gebiet erwischt, ohne daß die Pakistani darüber informiert wurden.
    Hat sich im Denken des Westens der Islamismus so sehr verankert, daß wir beginnen, andere Gefahren wie den Rechts- oder den Linksextremismus zu unterschätzen?
    Man sollte nicht vergessen: Es hat die schrecklichen Angriffe vom 11. September in den USA gegeben – und dann nichts mehr. Irgendwie hat man El Qaida bei weitem überschätzt. Alle anderen Anschläge haben nichts mit El Qaida zu tun. Der Terror von Madrid zum Beispiel geht auf das Konto von Marokkanern, das war kein Befehl von Osama Bin Laden. Die Terrorbewegung im Norden Afrikas nennt sich zwar »El Qaida des Maghreb«, aber es gibt kein Zentralkommando von außen. Die Gruppen sind sehr auf ihre Eigenständigkeit bedacht. Ein Saudi jemenitischen Ursprungs wie Bin Laden hätte im Maghreb ohnehin nicht viel zu sagen.
    Kann man von einer Art Islamophobie in Europa und den USA sprechen?
    Davor sollte man sich hüten. Man neigt ja dazu, so ziemlich jedes Attentat den Islamisten in die Schuhe zu schieben. Die Mehrzahl der Morde und Anschläge in Europa und Amerika gehen aber auf das Konto von Nicht-Muslimen. Wobei Deutschland allerdings das Glück hatte, daß die bekannt gewordenen Attentäter Dilettanten waren und aufgeflogen sind. Und nebenbei gesagt: Es waren konvertierte Deutsche.
    Der islamische Fundamentalismus ist in den vergangenen Jahren also schwächer geworden?
    Im Grunde genommen ist der Fundamentalismus immer falsch verstanden worden. Er richtete sich nicht so sehr gegen die Amerikaner und Europäer. Er richtete sich vorrangig gegen jene arabischen Herrscher und Potentaten, Diktatoren und Militär-Junten, die nach Ansicht der Fundamentalisten, der Salafisten, den

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