Die Welt aus den Fugen
Umbruch, weil das Regime, das meist im Zuge einer religiösen Erneuerung an die Macht gekommen ist, der Sünde erliegt und vom rechten Glauben abfällt. Und durch eine Revolution des Volkes abgeschafft wird. Das war in den letzten Jahrzehnten natürlich leichter zu verhindern, weil die Kontrollmechanismen der Staaten perfektioniert wurden.
Lassen Sie uns nach vorne blicken: Ist anläÃlich des zehnten Jahrestages ein Aufflammen der Gewalt zu befürchten? Wird El Qaida versuchen , sich in das BewuÃtsein der Menschen zurückzubomben?
Das glaube ich nicht, denn nach meiner Ansicht gibt es El Qaida praktisch nicht mehr. Es gibt eine ganze Reihe von militanten Gruppen, die ähnliche, aber nicht die gleichen Züge aufweisen und die trotzdem zusammenarbeiten. Die Gruppen im Jemen und in Somalia kooperieren zwar gelegentlich, aber sie stehen nicht unter einem einheitlichen Kommando. Bei denen ist 9/11 längst vergessen. 9/11 ist für den Westen ein viel bedeutenderes Ereignis, als es für die arabisch-islamische Welt jemals war.
Würden Sie eine Prognose für die kommenden Jahre wagen? Was wird sich zwischen Orient und Okzident verändern?
Man sollte dem Westen den Rat geben, sich in die innenpoliÂtischen Verhältnisse der orientalischen Länder so wenig wie möglich einzuschalten. Das ist deren Angelegenheit. Sie wollen ihr Schicksal selber gestalten â auch wenn es zum Teil sehr chaotisch werden dürfte. Wir sollten nicht immer mit Âunserer Tugendhaftigkeit antreten, denn so tugendhaft sind wir nun auch wieder nicht. Wären wir es, würden wir kaum 200 Leopard-Panzer an Saudi-Arabien liefern, also an das Âreaktionärste und christenfeindlichste Regime, das es in der islamischen Welt gibt. An Saudi-Arabien gemessen, ist die Islamische Republik Iran ein demokratischer und toleranter Staat.
Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, der 11. September 2001 habe die Machtposition der USA verändert. Geht das amerikanische Zeitalter zu Ende?
Das ist zu Ende. Was nicht bedeutet, daà die USA nun machtlos wären. Werden sie an die Wand gedrängt, sind sie â wie die Briten â natürlich in der Lage, sich noch einmal gewaltig aufzuraffen. Ein Monopol der Macht aber gibt es nicht mehr. Und in zwanzig bis dreiÃig Jahren ist damit zu rechnen, daà China die USA als Weltmacht hinter sich gelassen hat.
Obamas zweiter Anlauf
03. 10. 2011
Kaum ein Amerikaner würde darauf wetten, daà Barack Obama noch eine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika antreten wird. Die allgemeine Verärgerung über den jetzigen Bewohner des WeiÃen Hauses steigert sich bei vielen Republikanern bis zur Hysterie und äuÃert sich bei den Demokraten als bittere Enttäuschung â das liegt nicht nur daran, daà dieser Stabschef und Commander-in-Chief von vielen als fremder Eindringling empfunden wird.
Natürlich spielen seine Gegner den islamischen Vornamen Hussein immer wieder in den Vordergrund und führen eine Verleumdungskampagne, die seine amerikanische Staatsbürgerschaft in Zweifel zieht. Leider läÃt sich ein beachtlicher Teil der Wählerschaft durch solche Behauptungen beeindrucken. Es wäre naiv, zu glauben, daà alle WeiÃen der Südstaaten ihre rassistischen Vorurteile über Bord geworfen haben.
Beklemmender, ja, fatal wirkt sich für Obama aus, daà er seine begeisterten Anhänger von einst gegen sich aufgebracht hat. Der Ausspruch »Yes, we can« kann heute nur mit bitterer Ironie zitiert werden. Fast keine seiner VerheiÃungen, zum Beispiel in den USA ein Minimum an sozialer Ausgewogenheit zu realisieren, hat sich umsetzen lassen. Im Kongreà hat sich eine feindselige, ultrakonservative Mehrheit herausgebildet. Und schon erscheint der anfangs so dynamisch auftretende Staatschef wie ein Gefangener jenes militärisch-industriellen Komplexes, gegen den sogar der siegreiche US-Oberbefehlshaber des Zweiten Weltkrieges, Dwight D. Eisenhower, nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 1952 zu Felde ziehen wollte.
GewiÃ, Barack Obama ist nicht verantwortlich für die ungeheure Finanzvergeudung, die mit dem amerikanischen Anspruch auf strategische Dominanz in einer multipolaren Welt einhergeht. Fakt ist, daà das abgründige Schuldenloch vor allem Folge einer maÃlosen militärischen Ãberanstrengung ist. Dagegen mag man einwenden, daÃ
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