Die Welt aus den Fugen
wahren Islam verraten haben. Etwa, indem sie mit Israel kooperiert haben, wie das bei Präsident Mubarak in Ãgypten der Fall war. Ober bei den Saudis, deren engste Freunde und Verbündete die Amerikaner sind.
Behindert die islamische Religion den Weg des Orients in die Moderne?
Nun, es wird nicht unsere Moderne sein. Es wäre auch vermessen, den Arabern den Rat zu geben, ein Parlament etwa nach dem Muster unseres Bundestags und Bundesrats zu installieren. Also eine parlamentarische Demokratie einzuführen. Das funktioniert nicht. Die arabischen Länder brauchen eine straffe Führung. Wenn das ohne Horrorfiguren an der Spitze wie etwa Qadhafi funktioniert, um so besser. Sollten sich â um ein Beispiel zu nennen â in Syrien extremistische Kräfte durchsetzen, dann werden die rund zehn Prozent Christen, die dort leben, dem Assad-Regime noch nachtrauern.
9/11 ist bis heute nicht definitiv aufgeklärt. Es gibt kein amtliches, ja nicht einmal ein vorläufiges Untersuchungsergebnis der US -Regierung. Warum?
Gewisse Dinge werden nun mal nie aufgeklärt. Ich neige jedenfalls nicht jenen zu, die an eine Verschwörung glauben.
Wobei es an Verschwörungstheorien in der Tat nicht mangelt.
Ja, die einen sagen, das war die CIA gewesen, weil man einen Vorwand brauchte, um gegen Saddam Hussein vorzugehen. Andere meinen, der israelische Geheimdienst Mossad steckt dahinter, um die Kluft zwischen der christlichen Allianz und den Arabern zu vergröÃern. Nein, es waren in den USA sehr gut etablierte Saudis. Die Perfektion dieser Anschläge entspricht nicht dem arabischen Temperament.
Haben die Amerikaner die Zeit nach 9/11 genutzt, um ihren Einfluà in der arabischen Welt auszubauen und sich den Zugriff auf d ie dortigen Ãl-Lagerstätten zu sichern?
Das ist schwer zu sagen. Sie hatten in Ãgypten mit Präsident Mubarak bereits eine einmalige Chance mit Blick auf die Sicherheit Israels. Wie eng die Zusammenarbeit mit Ãgypten war, zeigt die Tatsache, daà am Hindukusch gemachte Gefangene der Amerikaner in ägyptische Gefängnisse eingeliefert wurden. Man ist in Washington nach 9/11 wohl auch davon ausgeÂgangen, daà man als Supermacht überall auf der Welt alles bestimmen kann. Das ist das Ergebnis einer trotz exzellenter Denkfabriken schlecht informierten US-Diplomatie. Und nun unterliegt auch die US-Armee einer Ãberstrapazierung â und verursacht dadurch Kosten, an denen das US-Budget scheitert.
Wären die Revolutionen in Tunesien, Ãgypten, Libyen und Syrien ohnehin gekommen, oder sind sie eine Spätfolge von 9/11 und der darauf folgenden westlichen Aktionen?
Nein. Ein Beweis dafür ist, daà auf dem Tahrir-Platz in Kairo, dem zentralen Ort des ägyptischen Aufstandes, keine einzige amerikanische oder israelische Fahne verbrannt wurde. Der Wutschrei der Bevölkerung richtete sich gegen Mubarak und dessen unmittelbare Umgebung. Die Muslimbrüderschaft, die nach der Armee die zweitstärkste Kraft ist und mit der wir eines Tages wohl werden reden müssen, ist bisher nicht in Erscheinung getreten.
Warum halten sich die Muslimbrüder zurück?
Sie warten erst einmal ab. So, wie es auch die Schiiten im Irak gemacht haben, die nicht gegen die Amerikaner kämpften, sondern sie aufforderten, für ehrliche Wahlen zu sorgen â und dann als Mehrheit der Bevölkerung auch die Mehrheit im Parlament stellten. Auch in Ãgypten spekulieren die islamischen Parteien, und das sind vor allem die Muslimbrüder, daà ihnen auf demokratische Weise die Macht zufällt.
Und der Westen ist nach Beginn der Aufstände rasch auf Distanz zu Despoten gegangen, die man zuvor gehätschelt hatte. Hatte das Auswirkungen?
Diese Leute waren ohnehin unter groÃem Druck. Es gibt auch in arabischen Ländern divergierende Meinungen. Es gibt liberale und es gibt streng islamische Flügel, die deshalb aber noch lange nicht kriminell sein müssen. Wir müssen aufpassen, daà wir nicht alles in einen Topf werfen. Daà die Revolution sich von Tunesien ausgehend wie ein Lauffeuer ausgebreitet hat, ist dennoch bemerkenswert. Interessant sind die Ausführungen des nordafrikanischen Geschichtsphilosophen Ibn Khaldun. Er wurde 1332 in Tunis geboren und ist 1406 in Kairo gestorben. Khaldun hat ein System errechnet, wonach ein arabisch-islamisches Regime etwa drei bis vier Generationen überleben kann. Dann aber kommt der
Weitere Kostenlose Bücher