Die Welt aus den Fugen
auf diese säkulare Veranstaltung den Segen Gottes herabzurufen und sich sogar in deutscher Sprache an den hohen Gast aus Berlin zu wenden. »Ob Christ oder nicht«, so führte der Prälat aus, »jeder wird begreifen, daà der Aufenthalt an einem solchen Ort zur Nachdenklichkeit aufruft und an das Gewissen appelliert.«
Die deutschen Medien haben diese weihevolle Stunde, die so gar nicht dem Geist ihrer aufklärerischen Intoleranz entspricht, nur mit Widerstreben zur Kenntnis genommen. Dabei hätten sie wissen sollen, daà das Schicksal nicht nur des Euro, dieses »goldenen Kalbes« unseres Kontinents, sondern das Ãberleben Europas von dem aktiven Zusammenschluà der karolingischen Erblande beiderseits des Rheins abhängt. Mit einem Zitat Paul Valérys haben wir diese »Muqaddima« begonnen. Mit einer düsteren Warnung desselben Autors wollen wir sie auch beenden. »Dans le gouffre de lâhistoire il y a de la place pour tout le monde«, so hatte er den Europäern zugerufen: »Im Abgrund der Geschichte ist Platz für alle.«
AUFTAKT EINER TRAGÃDIE
2008-2009
Ein einsamer Präsident
Interview, 10. 11. 2008 1
Barack Obama ist ein Linker, ein Unkonventioneller, ein Veränderer und ein Schwarzer. Das provoziert. Ein Attentat auf ihn scheint proÂgramÂmiert.
Noch nie zuvor war ein US-Präsident so gefährdet. Obama ist von zwei Seiten bedroht: Einmal von all den US-Amerikanern, die weiterhin rassistisch denken und keinen schwarzen Präsidenten dulden. Aber es gibt noch eine andere Gefahr: Obama ist der Sohn eines Muslims. Nach islamischem Recht gilt er als Muslim, selbst wenn er heute praktizierender Christ ist. Fanatische Muslime sagen sich: Obama ist vom Glauben abgekommen, darauf steht die Todesstrafe. Der neue amerikanische Präsident ist also wirklich in Lebensgefahr.
McCain oder Obama: Wen hätten Sie gewählt?
Obama natürlich. McCain kenne ich persönlich, er ist ein redlicher, höflicher Mann mit vernünftigen Ideen. Was mich an ihm aber enorm stört, ist seine Umgebung. Die Bush-Clique wäre er nicht losgeworden. Zudem ist McCain schon 72 Jahre alt und nicht ganz gesund. Stellen Sie sich vor, er kippt eines Tages tot um, dann ist Sarah Palin Präsidentin. Palin Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte! Das ist doch eine schreckenerregende Perspektive.
Was schätzen Sie an Obama?
Obama ist eine imponierende Erscheinung, ein Mann, der nie aus der Fassung gerät. Er ist hochintelligent, sehr sportlich, formuliert sehr gut, und er hat enormes Charisma. Am meisten beeindruckt mich aber seine Gelassenheit. Er wurde ja von McCain oft hart attackiert, aber er hat das alles ruhig und elegant beiseite geschoben â das war schon sehr beachtlich.
Aber allein diese Eigenschaften genügen doch nicht, Präsident zu werden ?
Obama wurde auch darum gewählt, weil Amerika sich enorm verändert hat. Im einst durch die weiÃen Vorfahren geprägten puristischen, calvinistischen Land leben heute fünfzig Millionen katholische Latinos. Die waren anfänglich für Hillary Clinton â dann aber schwenkten sie zu Obama um. Wohl auch darum, weil sie von ihm erwarten, daà er die dreizehn Millionen illegalen Latinos in den USA groÃzügiger behandelt und nicht zurückschickt.
Viele Junge haben mit geradezu religiösem Eifer Obama zugejubelt.
Vor allem mit Hilfe dieser Jungen ist Obama Präsident geworden. Und er hat, was noch kein Kandidat tat, seinen Wahlkampf im Internet geführt â und so extrem viele Stimmen bei jungen Leuten geholt.
Haben viele US -Bürger Obama auch aus Trotz gewählt â weil sie Bush hassen?
Ja, das war ein wesentlicher Punkt. Bush hat Amerika heruntergewirtschaftet. Und er glaubt heute noch, daà er alles richtig gemacht hat â weil er ja angeblich von Gott inspiriert ist. Bush hat Amerika zutiefst geschadet.
Hatte McCain überhaupt eine Chance?
Wenn die Wirtschaftskrise nicht gekommen wäre, dann hätte McCain eine Chance gehabt. Obamas Schwäche im Wahlkampf war seine auÃenpolitische Unerfahrenheit; da hätte McCain viel besser punkten können. Doch mitten im Wahlkampf kommt die Finanzkrise. Und der kleine US-Mittelstand, der seine Häuser und Kreditkarten verliert, interessiert sich überhaupt nicht mehr für den Irak. So gesehen hat die Krise Obama zum Wahlsieg verholfen.
Ein Wort zu Michelle
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