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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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die übermächtige US Navy vorübergehend schachmatt setzen.
    Zwischen Hamas und Fatah
    12. 01. 2009
    Die Zustände im Gazastreifen haben apokalyptische Züge angenommen, und die Gefahr ist groß, daß auch ein Beschluß des Weltsicherheitsrates daran nichts ändern wird. In Erwartung einer Waffenruhe, die – selbst wenn sie zustande käme – keinerlei Stabilität verspricht, kreisen die Bomber und Hub­schrau­­ber Israels über die auf engstem Raum zusammengedrängte Bevölkerung von 1,5 Millionen Palästinensern. Die Ziele der Regierung Israels sind klar. Der Beschuß mit Qassim- und neuerdings mit Grad-Raketen auf israelisches Territorium soll eingestellt werden. Aber ehe es zu diesen ziemlich kläglichen Provokationen gekommen war, hatte sich in Form von Blockaden und Hinrichtungen eine Konfrontation aufgebaut, die die Katastrophe unausweichlich machte.
    Als der israelische Regierungschef Ariel Scharon 2005 den Befehl gab, die im Gazastreifen lebenden jüdischen Kolonisten zu evakuieren, hatte er gehofft, den Hexenkessel sich selbst und seinem internen Chaos zu überlassen. Er war es auch leid, zwei Divisionen seiner Armee zum Schutz einer kleinen Gruppe von 5000 Mitbürgern in permanenter Bereitschaft zu halten. Seine an sich vernünftige Maßnahme wurde jedoch ohne Absprache mit dem palästinensischen Widerpart getroffen und entbehrte deshalb der erforderlichen Zusicherung durch die arabisch-muslimische Seite. Die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas-Bewegung hatte zudem den israelischen Abzug als ein Zeichen der Schwäche gedeutet.
    Die Tragödie könnte schlimmer nicht sein. Es war ein Irrtum der Israeli, in den autonomen Palästinensergebieten 2006 freie, demokratische Wahlen zu veranstalten in der Erwartung, daß die gemäßigte, zu Kompromissen, zur Kollaboration bereite Fatah-Bewegung um Präsident Mahmud Abbas den Sieg davontragen würde. Seit jedoch die Hamas sich auf die Zustimmung der palästinensischen Bevölkerungsmehrheit berufen kann und die Fatah in den Ruf von Bestechlichkeit und schwächlicher Nachgiebigkeit geriet, führt kein Weg mehr aus der Sackgasse heraus. Die Tatsache, daß die USA und die Europäische Union sich überreden ließen, die Hamas, die ursprünglich als sozial fürsorgliche, religiöse, aber relativ integre Organisation ihren Wahlsieg errungen hatte, zur »verbrecherischen Organisation« zu erklären, verbaut ihnen das Gespräch, das eine Befriedung bewirken könnte.
    Bei Freund und Feind stellt sich die Frage, welches die Kriegsziele Israels in Wirklichkeit sind. Der Gazastreifen ist von der Landkarte nicht wegzuradieren, und es ist nicht das erste Mal, daß ein Staat sich auf eine kriegerische Aktion einläßt, ohne zu wissen, wie er sich eines Tages aus ihr wieder lösen kann. In der ersten Phase stand ein massives Bombardement der israelischen Luftwaffe, um dem Widerstand des Feindes das Rückgrat zu brechen. Daraufhin sollten Panzerkräfte gegen die Abschußstellungen vorrücken, von denen palästinensische Raketen abgefeuert wurden. Die dritte Phase wäre die infanteristische Eroberung der unterirdischen Bunker und des mit Minen gespickten Verteidigungssystems, die die Hamas-Kämpfer inmitten ihrer Wohnblocks angelegt haben. Hier könnte es zu schmerzlichen Verlusten für die israelischen Streitkräfte, aber auch zu einer unerträglichen Steigerung der Opferzahl bei der arabischen Bevölkerung kommen.
    Das israelische Oberkommando hat noch jenen unseligen Feldzug vor Augen, den es im Sommer 2006 im Südlibanon eingeleitet hatte. 33 Tage hatten damals die Kämpfe zwischen der als unschlagbar geltenden Armee des Judenstaates und ­einer Partisanentruppe gedauert, die alle Tricks des sogenannten »asymmetrischen Krieges« beherrschte. Am Ende blieb den Israeli nur der Rückzug und die Einschaltung von Truppenkontingenten der Vereinten Nationen übrig. Ein ähn­licher Fehlschlag soll sich im Gazastreifen nicht wie­derholen, und tatsächlich ist die Freischärlertruppe der Hamas, die unzureichend erprobt und kaum bewaffnet ist, nicht mit der Eliteformation der Hizbullah im Südlibanon zu vergleichen. Es ist also vorstellbar, daß nach Tagen blutiger Häu­serkämpfe mit den zur Selbstaufopferung entschlossenen Hamas-Kämpfern der palästinensische Widerstand

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