Die Welt aus den Fugen
Canossa-Gang erscheinen muÃ. Unsere Kenntnisse über die inneren Zustände Nordkoreas sind sehr begrenzt. Deutlich kann man den veröffentlichten Pressefotos entnehmen, daà der »liebe Führer«, wie Kim Jong Il sich nennt, schwer, vielleicht tödlich erkrankt ist. Die Nachfolgekämpfe dürften bereits im Gange sein.
Unlängst war in Washington noch von einer radikalen Verschärfung der Sanktionen die Rede. Die Befürchtung, es würden von Nordkorea aus Raketentechnik oder sogar Nuklearsubstanz an unsichere Kandidaten geliefert, besteht weiter. Aber zumindest vorläufig ist die Zuspitzung der Krise verzögert. Die einzige GroÃmacht, die wirklich Einfluà auf die nordkoreanische Planung ausüben könnte, bleibt weiterhin die Volksrepublik China. Bei aller Sorge, die die nukleare Aufrüstung dieses kleinen stalinistischen Nachbarstaates dem Politbüro in Peking bereiten mag, wäre es für China weit unerträglicher, wenn sich in Pjöngjang ein radikaler Regimewechsel vollzöge und Washington seinen Einfluà ausdehnen könnte.
Ein Verzicht Nordkoreas auf sein Raketen- und Atombombenarsenal steht wohl kaum zur Debatte. Eine solche Wende würde voraussetzen, daà sich dieses Land einer umfassenden internationalen Kontrolle unterwirft. Die Bombe bleibt der einzige Trumpf, über den Kim Jong Il und seine Umgebung verfügen, und diese Karte verstehen sie überaus listenreich auszuspielen, wie die Provokation der jüngsten Manöver beweist.
Vor dem Hintergrund der Gespräche, die Clinton mit dem »lieben Führer« führte, erscheint die feierliche VerheiÃung Obamas, er würde dafür sorgen, daà weltweit die apokalyptische Untergangsdrohung, die von der Atomwaffe ausgeht, beendet werde, als ein Versprechen, das jeder Realität entbehrt. Der US-Präsident gerät mit seinen übertriebenen Versprechungen in den Verdacht, auch bei anderen Fragen, die die Weltsicherheit berühren, einen künstlichen Optimismus zu schüren.
Halten wir uns an die Vision einer atomwaffenfreien Welt. Welcher verantwortliche russische Politiker â Wladimir Putin zumal â würde auch nur im Traum daran denken, das einzige Potential preiszugeben, das ihm eine strategische Parität mit den USA sichert?
Von der Volksrepublik China, die sich neben Amerika als zweite Weltmacht profilieren möchte, bis zum Staat Israel, der der nuklearen Abschreckung sein Ãberleben anvertrauen muÃ, lieà sich kein einziger Partner im nuklearen Club finden, der bereit wäre, ein Instrument abzuschaffen, das ihm Unverletzlichkeit garantiert und die konventionelle eigene Unterlegenheit kompensiert.
Mit besonderem Interesse wird das Mullah-Regime von Teheran auf das seltsame Treffen von Pjöngjang geblickt haben. Gerüchte sind aufgekommen, daà es den Iranern endlich gelungen sei, alle Elemente für eine bescheidene, aber weit ausgreifende Nuklearrüstung zu fabrizieren, und daà die Revolutionsgarden des Ayatollah Khamenei nur auf einen opportunen Zeitpunkt warten, um den Stand ihrer Aufrüstung vor aller Welt durch eine spektakuläre Testexplosion sichtbar zu machen.
Auch am Persischen Golf befindet sich die Administration Obama in Bedrängnis. Die UngewiÃheit über die wahren Kräfteverhältnisse in Iran erschwert jede Diskussion über eine immer noch erhoffte KompromiÃlösung in Atomfragen. Sie entmutigt auch die europäischen Partner Washingtons, sich auf zusätzliche drakonische MaÃnahmen gegen diese Mullahkratie einzulassen.
So wie im Fall Nordkoreas China die einzige gewichtige Macht ist, die irgendwelchen Einfluà ausüben könnte, so wäre im Falle Irans die US-Diplomatie auf den engen Schulterschluà mit RuÃland angewiesen. Doch Moskau wird sich für eine solche schlichtende Rolle nur dann bereitfinden, wenn Obama â in strikter Abkehr von der Expansionspolitik seines Vorgängers in Zentralasien â dem Kreml in diesem strategischen Vorfeld der früheren Sowjetunion wieder weitreichenden Einfluà zugesteht.
Noch herrscht in Deutschland Gelassenheit
05. 10. 2009
Die Sieger bei der Wahl zum Deutschen Bundestag seien die Schweizer gewesen, mag man scherzhaft feststellen. Die Polemik, die in Berlin gegen die Wahrung des Schweizer Bankgeheimnisses geführt wurde, gipfelte in Beleidigungen und Drohungen. Finanzminister Steinbrück sprach von den
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