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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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    Sie beschäftigen sich mit der neuen Nahostpolitik von US -Präsident Barack Obama. Ein erstes von ihm arrangiertes Treffen zwischen Israelis und Palästinensern hat keinen Erfolg gebracht. Ein Rückschlag?
    Für den Nahostkonflikt sehe ich im Augenblick keine Lösung. Die Amerikaner werden auf palästinensischer Seite nicht nur mit Palästinenser-Präsident Abbas sprechen müssen, sie müssen auch die Hamas mit einbeziehen. Mit Abbas kann man nicht über das wichtige Thema Gaza sprechen. Abgesehen davon: Wenn neue, wirklich freie Wahlen stattfinden würden, würde Abbas auch im Westjordangebiet nicht wiedergewählt werden. Auf israelischer Seite ist Netanjahu aber auch kein einfacher Partner. Immerhin scheint er ein besserer Gesprächspartner als sein Vorgänger Ehud Olmert zu sein. Denn: Nur sogenannte Hardliner sind in der Lage, wirkliche Konzessionen zu machen. Deshalb konnte Begin im Friedensvertrag mit Ägypten den Sinai aufgeben.
    Obama hat mit seiner Rede in Kairo versucht, einen Neuanfang in den Beziehungen zur muslimischen Welt zu machen. Ist das aus Ihrer Sicht erfolgreich gewesen?
    Es war eine großartige Rede. Und es war eine große Geste, daß er den Koran zitiert hat. Nur: Jetzt muß man zu konkreten Lösungen kommen. Die Irakfrage ist überhaupt nicht gelöst. Es ist noch nicht entschieden, ob der Irak ein einheitlicher Staat bleibt oder ob er auseinanderfällt.
    Amerika ist sowohl für die Lösung der Probleme im Irak wie auch in Afghanistan auf ein gutes Verhältnis mit dem Iran angewiesen. Warum?
    Die Iraner sind entschiedene Gegner der Taleban. Und sie sind mit den Schiiten im Irak verbunden. Sie haben dort Einfluß.
    Dem steht aber im Augenblick das Thema Atomkonflikt im Wege.
    Dieser Atomkonflikt wird überschätzt. Der Iran hat nicht die Absicht, die Atombombe irgendwo einzusetzen. Der Iran will die Atomwaffe als Abschreckungswaffe haben.
    Trotz der Rhetorik des iranischen Präsidenten …
    Ahmadinejad hat nicht gesagt, daß er eine Atombombe auf Israel werfen will. Außerdem wäre das Selbstmord, denn die Amerikaner könnten mit ihrem ungeheuren Waffenpotential den Iran auslöschen.
    Der Atomkonflikt ist also überbewertet …
    Er könnte sicher beigelegt werden. Wir leben ja auch mit der pakistanischen Bombe, die viel gefährlicher ist als die ira­nische. Immerhin ist der Iran ein noch einigermaßen funk­tionierender Staat, auch wenn die Wahl teilweise gefälscht worden ist. Aber schlimmer als in Afghanistan kann sie gar nicht gefälscht worden sein – und das unter Aufsicht der NATO.
    Wie ist die Rolle Rußlands?
    Für die Russen ist der Iran keinerlei Bedrohung. Die Russen sind in Afghanistan viel mehr bedroht als die westliche Allianz, wenn der radikale Islamismus auf die früheren Sowjetrepubliken in Zentralasien übergreift. Das wird häufig übersehen. Denn dort leben 25 Millionen Muslime, alles Sunniten, die mit den Schiiten nichts zu tun haben wollen. Es herrscht ein abgrundtiefer Haß. Früher wurden die Schiiten von den Turkmenen versklavt. Die Russen haben deshalb von den Iranern nichts zu befürchten, eine Menge aber von Afghanistan.
    Mit welcher Strategie könnte man den Iran denn ins Boot holen?
    Amerika muß anfangen, mit dem Iran zu reden. Die Sanktionen müßten aufgehoben werden. Seit der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran 1979 ist noch immer iranisches Vermögen konfisziert. Außerdem wissen wir gar nicht, wie weit die Iraner mit ihrer Atombombe sind. Die Amerikaner spielen das Ganze derzeit herunter, während die Europäer es seltsamerweise hochspielen.
    Eine Strategie zur Lösung dieser Konflikte müßte den Iran zwingend einbeziehen?
    Ja. Aber auch die Russen und die Chinesen müßten mit am Tisch sitzen, denn China sieht diese radikale islamische Entwicklung mit großer Sorge. Diese gemeinsamen Interessen sind von der Bush-Regierung überhaupt nicht erkannt worden.
    Sie haben aus Ihrer Skepsis gegenüber Afghanistan nie einen Hehl gemacht.
    Das ist ein Krieg, den man nicht gewinnen kann. Jeder, der etwas von militärischen Dingen versteht, weiß das. Selbstverständlich auch die amerikanischen Generale. Die Amerikaner haben zwei Methoden der Kriegführung, die schon in Vietnam angewandt worden sind. Search and destroy, also Suchen und Vernichten. Das haben die Amerikaner lange in

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