Die Welt aus den Fugen
Südafghanistan praktiziert, ohne sichtbaren Erfolg. Jetzt wenden sie die andere Methode an: Das Territorium besetzen und auch halten. Das hat aber schon in Vietnam nicht funktioniert, obwohl die Bedingungen dort eigentlich günstiger waren als in Afghanistan. Vor allem müssen sich die Amerikaner und ihre Verbündeten über eines im klaren sein: In einem muslimischen Land wird niemals die Präsenz einer fremden Armee geduldet.
Wie könnte eine Strategie aussehen, mit der man den Krieg beenden könnte? In Deutschland wird darüber ja auch, wenn auch noch verhalten, diskutiert.
Die Amerikaner denken darüber schon nach, viel mehr als die Deutschen. In der US-Presse wird offen darüber diskutiert, ob Obama nicht über Afghanistan genauso stolpern kann wie Präsident Johnson über Vietnam. Die Deutschen haben eine merkwürdige Scheu, darüber zu reden. Eine Idee: Für den Ãbergang könnte man neutrale islamische Truppen wie Marokkaner oder Indonesier holen. Darüber hinaus muà man mit dem Gegner verhandeln. Die Afghanen müÃten die ElQaida-Anhänger â weitgehend Ausländer wie Araber, Tschetschenen, Usbeken â daran hindern, Terrorakte im Ausland zu begehen. Den Amerikanern sind doch viele von denjenigen, die sie jetzt bekämpfen, bekannt. Und zwar aus dem Krieg gegen RuÃland. Die Amerikaner haben seinerzeit mit ihnen zusammengearbeitet. Das gilt selbst für Osama Bin Laden.
Sie haben eben den Vergleich zu Vietnam gezogen. Sehen Sie Parallelen, wenn jetzt neue Truppen verlangt werden?
Die Dimensionen sind ganz andere. General Westmoreland hatte bereits über 500000 GIs in Vietnam, als er noch mehr verlangt hat. In Afghanistan stehen viel weniger US-Soldaten. Und was die Verbündeten anbelangt: Amerikaner und Engländer sind es noch gewohnt, miteinander zu kämpfen. Aber die bunt zusammengewürfelten ISAF-Truppen, das sind keine Kampftruppen.
»Eine Hydra mit tausend Köpfen«
Interview, 30. 10. 2009 4
Verstehen Sie die Aufregung um China, das Gastland der Frankfurter Buchmesse?
Das ist die typische deutsche Heuchelei. Diese ewigen Vorwürfe und Scheinappelle. Die Amerikaner haben das längst eingestellt. Die Dissidenten als allein glaubhafte Repräsentanten Chinas, Kronzeugen von Zensur und Repression aufzubieten, muÃte den Zorn des offiziellen Delegationsleiters provozieren. Ich kenne Mei Zhaorong, ein freundlicher Herr, den ich stets konsultiere, wenn ich in Peking bin. Ich verstehe, wenn er sagt: »So konnten Sie vielleicht früher mit uns umspringen. Diese Zeiten sind vorbei.« Die Deutschen sollten sich an ihre eigene Nase fassen, sich an die Hunnenrede von Wilhelm II. in Bremerhaven erinnern, als er im Jahr 1900 das deutsche »Expeditionsheer« zur Niederschlagung des Boxeraufstandes verabschiedete. »Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!« Und sie sollten wie die Hunnen unter König Etzel wüten, damit »es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen«. Schuld am ganzen Theater ist auch, daà es keine deutsche AuÃenpolitik mehr gibt. Darin bin ich einer Meinung mit einem prominenten Politiker, dessen Namen ich aber nicht verrate.
Publikationen in Deutschland verbreiten Furcht: »Chinas Aufstieg â Deutschlands Abstieg«, »Gelbe Spione«. Das klingt schon wie »Die Gelbe Gefahr«. Ist die Angst begründet?
Unsinn. Deutschland ist immer noch Exportweltmeister. Warum miÃgönnt man China den Aufstieg? Was ist gegen ein ehrgeiziges Volk zu sagen? Seit ich 1972 das erste Mal in China war, hat sich das Land gewaltig verändert, ist Gigantisches vollbracht worden. Die Mehrheit der Chinesen wertet, trotz allen Leids der vergangenen Jahrzehnte, die Entwicklung seit 1949, vor allem mit den Reformen unter Deng Xiaoping, positiv. Ihm verdanke China seine Modernisierung. Statt kaiserliche Arroganz nachzuahmen, sollten wir es mit Leibniz halten, der neugierig nach China blickte. Weil er, wie Voltaire, dort eine auf Friedfertigkeit, Toleranz und Achtung des Wortes der Gelehrten basierende Ordnung zu erkennen glaubte.
Aber China war und ist kein Utopia. Auf dem Platz des HimmÂlischen Friedens gab es vor zwanzig Jahren keinerlei Toleranz.
Ja, hätte der Westen es 1989 lieber gesehen, wenn das Land in einen Bürgerkrieg gefallen wäre? Wenn die Konterrevolution marschiert wäre? Dort Zustände eingezogen
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