Die Welt aus den Fugen
der Lage, das Gespräch mit den »Yankees« auf gleicher Augenhöhe zu führen. Was nun die Mexikaner betrifft, deren Einwanderungsstrom in die »Estados Unidos del Norte« â wie sie die USA nennen â anschwillt und die mit den übrigen »Latinos« dort bereits eine fünfzig Millionen Einwohner starke Bevölkerungsgruppe bilden, so bereiten sie den weiÃen NordÂamerikanern nicht nur aus demographischen Gründen tiefe Sorge. Die extrem kriminellen Mafia-Verhältnisse, die dort im Gefolge eines ausufernden Drogenhandels vorherrschen, bedrohen auf lange Sicht die politische Stabilität der ganzen Region.
Barack Hussein Obama erregte weltweit Aufsehen, als er für die Lehre des Propheten Mohammed eine positive Beurteilung fand und â bei aller Betonung seiner eigenen Zugehörigkeit zum Christentum â der Identifizierung von Islam mit Terror, die in der Umgebung seines Vorgängers noch üblich war, ein Ende setzte. Selbst die Islamische Republik Iran wird nicht mehr der »Achse des Bösen« zugerechnet. Der neuen ultrakonservativen Regierung Israels unter Benjamin Netanjahu gibt er zu verstehen, daà Washington sich eine Beilegung des Konflikts im Heiligen Land nur in der Perspektive einer palästinensischen Staatsgründung vorstellen kann. Die Europäer wiederum â Franzosen und Deutsche zumindest â hat er verprellt, als er in Istanbul für die Aufnahme der Türkei in die EU plädierte, als ob ein amerikanischer Staatschef darüber zu entscheiden hätte, wieweit der alte Kontinent durch eine solche maÃlose Ausweitung seine Identität in Frage stellt.
Noch ist die weltweite Begeisterung über die Wahl dieses charismatischen, hochintelligenten Mulatten nicht abgeklungen. Doch in den Kanzleien Europas blickt man mit wachsender Sorge auf das sich steigernde militärische Engagement des groÃen Verbündeten im Konflikt am Hindukusch, auf eine die Grenzen Pakistans überschreitende Strategie, die den Taleban das Rückgrat brechen möchte, wo doch gleichzeitig im Pentagon die Erkenntnis reift, daà der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen ist. Die Tatsache, daà Obama das Gespräch mit dem radikalen Flügel des Islamismus prinzipiell nicht verweigert, ändert nichts daran, daà für fromme Muslime eine bewaffnete Präsenz von »Ungläubigen« auf dem Territorium des »Dar-ul-Islam« weiterhin unerträglich bleibt. Auch im Hinblick auf Bagdad, wo das interkonfessionelle Gemetzel zwischen Sunniten und Schiiten vorübergehend nachgelassen hat, sollte der amerikanische Präsident nicht in den Irrtum seines unglückseligen Vorgängers verfallen und die dortige Mission der USA als erfolgreich abgeschlossen bezeichnen.
Obama verdient hohes Lob, daà er sich bereits mit Nachdruck den weltweiten Aufgaben seiner »unentbehrlichen Nation« widmet. Er muà sich jedoch bewuÃt sein, daà die Beziehungen der USA zu Europa, zu RuÃland, vor allem zu China am Ende nicht durch diplomatische Schachzüge definiert werden, sondern durch die katastrophale wirtschaftliche Rezession, die das System des amerikanischen Kapitalismus aus den Angeln zu heben droht.
Endloser Streit um das Heilige Land
30. 05. 2009
Eine amerikanische Karikatur hat es auf den Punkt gebracht: Sie zeigt Benjamin Netanjahu, den unnachgiebigen Ministerpräsidenten Israels, der eben Papst Benedikt XVI. verabschiedet hat und sich anschickt, anschlieÃend nach Washington zu reisen, wo Barack Obama ihn wie eine Heilsfigur erwartet: »Nach dem Papst«, stand unter der Zeichnung, »trifft Netanjahu jetzt auf den Messias!«
Der neue Präsident der USA, dessen Beliebtheitsquote weiterhin hoch bleibt, leidet vor allem unter den übertriebenen Hoffnungen seiner Anhänger, die von ihm Wunder erwarten. Der endlose Streit um das Heilige Land sei das Krebsgeschwür, unter dem der ganze arabisch-islamische Orient leide und dessen Metastasen sich bereits bis nach Pakistan und Afghanistan verhängnisvoll ausbreiteten. In seiner Beziehung zur islamischen Welt hat der »Schwarze Mann im WeiÃen Haus« wohl den deutlichsten Wandel gegenüber den Irrungen seines Vorgängers vollzogen, der von »Islamo-Faschismus« redete und bei den Korangläubigen im Ruf stand, seinen Feldzug gegen den Terrorismus mit einem Kreuzzug zu verwechseln. Acht Jahre lang hat George W. Bush
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