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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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erwägen.
    Als Barack Obama Abstand von Bushs Raketenschild nahm, waren ihm die Polen gram. Nun hat er einen Rückzieher gemacht.
    Man kann die Polen verstehen. Sie waren immer in der Zange zwischen Deutschland und Rußland. Die Russen liebten sie nicht, die Deutschen auch nicht. Ihre Verbündeten, die Franzosen und Engländer, haben sie 1939 schnöde im Stich gelassen. So sind sie zu dem Schluß gelangt: Die Amerikaner sind unser einziger Schutz. Nun dachten sie, Barack Hussein Obama wolle sie im Stich lassen.
    Obama erhält den Friedensnobelpreis. Ist das Vorschußlorbeer?
    Die Amerikaner mögen es nicht, wenn man ihre Präsidenten im Ausland auszeichnet. Das wissen die in Oslo wohl nicht. Richtig bemerkt haben Sie aber, daß Obama sich von den Hegemonialallüren seines Vorgängers distanziert und dem Unilateralismus entsagt hat. Mehr noch: Vielleicht ist es ihm selbst gar nicht bewußt, daß er nicht nur die Vorrangstellung der USA seit 1945 zur Disposition stellt, sondern auch die 500jährige des »Weißen Mannes«.
    Â»Da wird ein Zirkus aufgeführt«
    Interview, 19. 08. 2009 5
    In Afghanistan stehen die Präsidentschaftswahlen an. Präsident Hamid Karzai ist der Favorit. Ist er der richtige Mann für Afghanistan?
    Natürlich nicht. Die Wahl ist ja auch genauso dubios wie die von Ahmadinejad in Teheran – ein Glanzstück ist das nicht. Aber er wird wahrscheinlich gewählt werden. Ich weiß nicht, vielleicht hat er den Bescheid schon vorliegen.
    Warum ist die Wahl so dubios wie im Iran?
    Ich würde sogar sagen, daß die Wahl von Ahmadinejad noch glaubwürdiger ist. In Afghanistan bestimmen doch die Warlords, wer gewählt wird. Sie haben ja auch die schönen Bilder gesehen von den Eseln, die die Wahlurnen transportieren – was meinen Sie, was mit den Urnen alles gemacht wird, bis sie angekommen sind? Das ist eine Farce. Ich habe selber eine Wahl erlebt in Afghanistan: Das ist ein Zirkus, der da aufgeführt wird, mehr ist das nicht. Und es ist eine Täuschung der Öffentlichkeit, auch eine Täuschung der deutschen Öffentlichkeit. Es wird vorgeführt, daß dort irgendeine Form von Demokratie herrsche. Die Karten sind doch alle vorher verteilt. Man weiß, wer gewählt wird und wer nicht – von einer freien Meinungsäußerung kann da keine Rede sein. Es steht von vornherein fest, daß Herr Karzai bleibt.
    Welche Bilanz läßt sich nach acht Jahren Karzai ziehen?
    Es ist katastrophal. Stellen Sie sich vor: Acht Jahre – das ist doppelt so viel wie der Erste Weltkrieg. So lange dauert diese Geschichte schon. Und das dumme Gerede, es seien so viele Schulen gebaut worden und es ginge den Leuten so viel besser – das stimmt alles nicht. Die Lage hat sich dramatisch verschlechtert! Im Jahr 2001 nach der Blitzoffensive der Amerikaner konnte man im Land ziemlich frei und ungestört herumreisen; davon kann heutzutage nicht mehr die Rede sein.
    Es ist auch eine Ungeheuerlichkeit, daß unter dem Schutz der NATO Afghanistan mit neunzig Prozent der größte Opium- und Heroinproduzent der Welt geworden ist – und es weiterhin bleibt. Das ist die Ungeheuerlichkeit an der ganzen Geschichte.

    Sie sagen, die Warlords stehen hinter Karzai und bestimmen die Wahl. Wie sieht es mit der afghanischen Bevölkerung aus, steht sie hinter dem Präsidenten?
    Die meisten Leute kennen ihn wahrscheinlich gar nicht, weil er kaum mehr Kabul verläßt. Die Leute kennen vor allem ihren jeweiligen Stammesführer und die Leute, die dieser ausgewählt hat.
    In den Medien wird immer wieder behauptet, die Wahl könne als Bestätigung oder Ablehnung der bisherigen Afghanistan-Strategie der USA – oder des Westens insgesamt – gesehen werden. Stimmen Sie zu?
    In Afghanistan wird in den Schluchten entschieden, dort wo gekämpft wird und die Unsicherheit zunimmt. Die Wahl ändert da nichts – die werden doch die gleiche Mannschaft haben wie vorher, vielleicht in etwas anderer Zusammensetzung. Was da veranstaltet wird, ist ein reines Possenspiel. In den Wahlkomitees, die die Wahlen überwachen, sitzen ja ganz ehrenwerte Leute. Die kommen aber aus anderen Ländern der Dritten Welt, in denen selber keine freien Wahlen stattfinden. Das ist alles Quatsch.
    Wie sieht es mit den Taleban aus, sie wurden anfänglich durch den Militärschlag der USA zerstreut. Jetzt haben

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