Die Welt der Drachen
Drachen und Reiter ähnliche Züge aufwiesen. Vermutlich hatte Nemorth den Bronzedrachen ebenso abgestoßen wie F'lar die Reiterin... Nicht-Reiterin, verbesserte sich Lessa mit einem grimmigen Blick auf den dösenden S'lel.
Aber wenn F'lar sich auf dieses verzweifelte Duell mit Fax eingelassen hatte, um Lessa zu retten und auf den Weyr zu bringen, weshalb verdrängte er dann nicht R'gul, nachdem sie tatsächlich Weyrherrin geworden war? Er musste doch sehen, dass der Weyr immer mehr verfiel.
»Um Pern zu retten«, hatte F'lar erwidert. Der erste Schritt dazu war, R'gul die Macht zu entreißen. Wollte F'lar etwa abwarten, bis der Weyrherr einen Fehler machte? Das würde niemals geschehen, denn R'gul tat einfach nichts - weder etwas Richtiges noch etwas Falsches. Vor allem gab er ihr keine Erklärungen.
» Sternstein, halte Wacht .« Von ihrem Platz aus konnte Lessa das riesige Rechteck des Sternsteines gegen den Himmel sehen. Immer hielt ein Reiter dort Wache. Eines Tages würde sie hinaufsteigen. Sicher hatte man einen herrlichen Ausblick auf das Benden-Gebirge und die Hochebene, die bis zum Fuß des Weyrs reichte.
Vor einer Planetendrehung hatte am Sternstein eine richtige Zeremonie stattgefunden, als der Fingerfelsen kurz die aufgehende Sonne zu berühren schien und damit die Wintersonnenwende markierte.
Doch das erklärte nur die Bedeutung des Fingerfelsens, nicht die des Sternsteines.
Wiederum ein ungelöstes Geheimnis.
Drachenreiter, habt ach t. Wie sollte eine Handvoll von Drachenreitern ganz Pern beschützen?
R'gul konnte nicht leugnen, dass es auf dem Planeten fünf leere Weyr gab. Sie schienen seit undenklichen Zeiten verlassen. Lessa musste ihre Namen und die Rangfolge auswendig lernen: Benden, Hochland, Igen, Ista und Telgar.
Aber er konnte oder wollte ihr nicht erklären, weshalb die Felsenburgen leerstanden.
Und er gab auch keine Antwort auf die Frage, weshalb Benden nur an die zweihundert Drachen beherbergte, obwohl Platz genug für fünfhundert war.
Immer hatte er die Ausrede zur Hand, dass Jora eine unfähige, neurotische Weyrherrin gewesen sei, die Nemorth zuviel zu fressen gegeben hatte. (Niemand sagte Lessa, weshalb Drachen nicht zuviel fressen durften; ganz besonders sagte ihr niemand, weshalb eitle Freude herrschte, wenn Ramoth sich vollstopfte.) Natürlich, die Drachenkönigin musste wachsen, und sie wuchs rasch.
Lessa lächelte zärtlich, als sie an Ramoth dachte. Sie sah von ihrer Schreibtafel auf. Jenseits des Korridors lag Ramoths Felsenkammer. Sie spürte, dass die junge Königin noch fest schlief.
Lessa seufzte. Sie sehnte sich nach dem tröstenden Blick aus den großen Regenbogenaugen, nach der Unterhaltung mit Ramoth, die ihr das Leben im Weyr einigermaßen erträglich machte.
Manchmal hatte Lessa das Gefühl, dass sie zwei Leben führte: sie war fröhlich und ausgefüllt, wenn sie sich um Ramoth kümmerte, und zutiefst verzweifelt, wenn der Drache schlief. Abrupt brach Lessa ihre niederdrückenden Gedankengänge ab und beugte sich über die Tafel. So verging wenigstens die Zeit rascher.
» Es kommt der Rote Stern. «
Dieser rätselhafte Rote Stern!
Lessa setzte mit einer energischen Geste das Schlusszeichen.
Sie würde nie jenen Morgen vor mehr als zwei Planetendrehungen vergessen, als eine unheimliche Vorahnung sie aus dem Schlaf gerissen und ins Freie getrieben hatte.
Damals hatte der Rote Stern über Ruatha gestanden.
Und nun befand sie sich im Weyr. Aber die glänzende Zukunft, die F'lar ihr in so lebhaften Farben geschildert hatte, war nicht eingetroffen. Anstatt ihre geheimen Kräfte zum Wohle von Ruatha einzusetzen, schleppte sie sich von einem öden Tag zum anderen, angewidert von R'gul und S'lel, gefesselt an die Räume der Weyrherrin (auch wenn sie eine Verbesserung gegenüber der stinkenden Käsekammer darstellten). Nur wenn sie ihre so genannten Lehrmeister nicht mehr ertragen konnte, nutzte sie ihre besondere Fähigkeit aus.
Lessa biss die Zähne zusammen. Ramoth hielt sie hier fest, sonst wäre sie längst nach Ruatha zurückgekehrt und hätte Gemmas Sohn das Erbe entrissen.
Sie nagte an ihrer Unterlippe und lächelte über ihre Spekulationen. Seit sie Ramoth zum ersten Mal in die Augen gesehen hatte, bestand zwischen ihr und der jungen Drachenkönigin ein unauflösliches Band. Nur der Tod konnte sie trennen.
Gelegentlich lebte ein Mann wie Lytol weiter, wenn sein Drache umgekommen war. Aber dann führte er ein Schattendasein und wurde
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