Die Welt der Drachen
der zu den Unteren Höhlen führte. Als er um die letzte Biegung kam, stieß er beinahe mit Lessa zusammen.
Du hattest nicht gefragt, wo sie ist, bemerkte Mnementh auf F'lars scharfen Tadel.
Lessa wich gerade noch aus. Sie funkelte ihn wütend an.
»Weshalb bekam ich nicht die Gelegenheit, den Roten Stern durch das Felsöhr zu betrachten?« fragte sie mit harter, spröder Stimme.
F'lar schob nervös die Stirnlocke zurück. Eine schwierige Lessa das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»An der Klippe oben herrschte ein starkes Gedränge«, erwiderte er vorsichtig. Er wollte sie auf keinen Fall verärgern.
»Und du glaubst ohnehin an die Gefahr.«
»Ich hätte es dennoch gern erlebt«, sagte sie unwirsch. »Und sei es nur in meiner Eigenschaft als Weyrherrin und Archiv-Verwalterin.«
Er nahm sie am Arm und spürte, wie sie sich versteifte.
Achselzuckend ließ er sie los. Er musste Geduld mit dieser Frau haben.
»Ein Glück, dass du bereits deine Reitkleider trägst. Sobald die Geschwader fort sind und Ramoth erwacht, möchte ich mit dir ins Dazwischen fliegen.«
Selbst im Halbdunkel des Korridors sah er das Aufleuchten ihrer Augen. Sie atmete tief ein.
»Ich kann es nicht länger hinausschieben, sonst ist Ramoth zu schwerfällig zum Fliegen«, fuhr er liebenswürdig fort.
»Du meinst es ernst?« fragte sie leise, und mit einemmal war der spröde Ton aus ihrer Stimme verschwunden.,»Du willst uns heute mitnehmen?« Es war nur schade, dass er ihren Gesichtsausdruck nicht genau erkennen konnte.
Manchmal, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, kam ein weicher, zärtlicher Blick in ihre Augen. Er hätte viel darum gegeben, wenn sie ihn so angesehen hätte. Aber er konnte froh sein, dass sie ihre Zärtlichkeit Ramoth zuwendete und nicht einem anderen Mann.
»Ja, meine Liebe - schon damit du nicht auf die Idee kommst, es auf eigene Faust zu versuchen.«
Er verbeugte sich leicht.
»Aber vorher muss ich etwas essen. Wir waren unterwegs, bevor die Mägde das Frühstück zubereitet hatten.«
Sie verließen den Korridor und betraten den hell erleuchteten Weyrraum. Ihm entging nicht der scharfe Blick, den sie ihm zuwarf. Sie verzieh ihm immer noch nicht, dass er es versäumt hatte, sie zum Sternstein mitzunehmen.
Während sie Frühstück bestellte, sah F'lar sich in der Felskammer um. Wie verändert alles war, seit Lessa die Führung des Weyrs übernommen hatte! Während Joras Herrschaft hatten sich Schmutz und Schlamperei eingenistet.
Der Zustand des Weyrs war von Jahr zu Jahr schlechter geworden, denn Jora hatte der Verwahrlosung keinen Einhalt geboten.
Wenn er, F'lar, beim Tode seines Vaters F'lon nur ein paar Jahre älter gewesen wäre ... Jora hatte ihn angewidert, aber wenn die Drachen zum Paarungsflug aufstiegen, achtete man nicht auf das Aussehen und den Charakter der Partnerin.
Lessa brachte ein Tablett mit Brot, Käse und frischem Klah.
Sie bediente ihn geschickt.
»Du hast auch noch nichts gegessen?« fragte er.
Sie schüttelte heftig den Kopf, so dass die schweren Flechten hin und her flogen. Die Frisur war viel zu streng für ihr schmales Gesicht, aber sie nahm Lessa nichts von ihrer Weiblichkeit. Wieder einmal wunderte sich F'lar darüber, wie es möglich war, dass in einem so zarten Körper soviel Intelligenz und Durchtriebenheit steckte - ja, Durchtriebenheit war das richtige Wort. F'lar beging nicht den Fehler, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen.
»Manora rief mich, damit ich die Geburt von Kylaras Kind eintragen konnte.«
F'lar sah sie mit einem Ausdruck höflichen Interesses an. Er wusste recht gut, dass Lessa in ihm den Vater des Kindes vermutete, und er konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, auch wenn er sie stark bezweifelte.
Kylara gehörte zu den zehn Kandidatinnen, die zusammen mit Lessa vor drei Jahren in den Weyr gekommen waren. Wie die anderen Mädchen hatte Kylara entdeckt, dass gewisse Aspekte des Weyrlebens ihr zusagten.
Sie hatte mit den verschiedensten Drachenreitern das Lager geteilt und sogar F'lar verführt - freilich nicht ganz gegen seinen Willen. Jetzt, da er Weyrführer geworden war, fand er es klüger, ihre Bemühungen zu ignorieren. T'bor hatte sie zu sich genommen, und sie war keine bequeme Gefährtin für ihn gewesen. Endlich, als sie schon hochschwanger war, hatte er es fertig gebracht, sie in die Unteren Höhlen abzuschieben.
Abgesehen von ihrer Liebestollheit war Kylara klug und ehrgeizig. Sie würde eine starke Weyrherrin abgeben, und so hatte F'lar
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