Die Welt der Drachen
zuckt seit geraumer Zeit hin und her.«
»Das macht sie immer um diese Tageszeit.«
F'lar beugte sich über den Tisch und beobachtete mit umwölkter Stirn den gegabelten Schwanz der Drachenkönigin.
»Mnementh ebenfalls. Immer im Morgengrauen oder kurz nach Sonnenaufgang. Als würden sie diese Tageszeit mit unangenehmen Dingen in Verbindung bringen ...«
»Oder mit dem Aufgang des Roten Sterns?« warf Lessa ein.
Ihr Tonfall hatte sich irgendwie verändert. F'lar warf ihr einen raschen Blick zu. Sie dachte jetzt nicht mehr daran, dass sie an diesem Morgen die Erscheinung versäumt hatte. Ihre Augen starrten ins Leere; sorgenvolle Linien standen zwischen den Schöngeschwungenen Brauen.
»Alle Warnungen kommen im Morgengrauen«, murmelte sie.
»Was für Warnungen?« fragte er ruhig.
»Ein paar Tage, bevor du mit Fax nach Ruatha kamst, wachte ich plötzlich auf, Ich spürte einen schweren Druck ... so als drohte mir eine entsetzliche Gefahr.« Sie schwieg. »Und der Rote Stern war eben aufgegangen.«
Die Finger ihrer linken Hand öffneten und schlossen sich.
Sie zitterte wie im Krampf. Dann richtete sie den Blick wieder auf F'lar.
»Fax kam von Nordosten, aus Crom«, sagte sie scharf.
F'lar überlegte, dass der Rote Stern ebenfalls im Nordosten aufging.
»Allerdings«, sagte er mit einem Lochen. Er konnte sich noch lebhaft an jenen Tag erinnern. »Aber ich hoffe doch, dass ich dir damals einen guten Dienst erwies.«
Er deutete auf die Felskammer.
Ihr Blick war kühl und unergründlich.
»Die Gefahr kommt in mancherlei Gestalt.«
»Zugegeben«, erwiderte er liebenswürdig, ohne auf die Herausforderung einzugehen.
»War das die einzige Vorahnung?«
Ihr Schweigen ließ ihn aufsehen. Sie war schneeweiß geworden.
»Nein. Ich spürte sie auch damals, als Fax Ruatha eroberte.«
Sie sprach so leise, dass er ihre Worte kaum verstand. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie umkrampfte die Tischkante.
F'lar beobachtete sie besorgt. Mit dieser Reaktion auf seine beiläufige Frage hatte er nicht gerechnet.
»Weiter«, sagte er sanft.
Sie sprach unbewegt, sachlich, als berichte sie von einer Begebenheit, die sie persönlich nicht berührte.
»Ich war ein Kind.
Elf Jahre alt.
Ich erwachte im Morgengrauen ...«
Sie sprach nicht weiter. Ihre Blicke waren immer noch ins Nichts gerichtet. Sie betrachteten eine Szene, die sich vor langer Zeit abgespielt hatte.
F'lar spürte mit einemmal das Verlangen, Lessa zu trösten.
Er hatte niemals vermutet, dass ausgerechnet sie von so alten Erinnerungen gequält wurde.
Mnementh erklärte scharf, dass Lessa mit ihren Erinnerungen Ramoth aus dem Schlaf schrecke. Dann fügte er etwas versöhnlicher hinzu, dass R'gul endlich mit seinen Schülern aufgebrochen sei. Sein Drache Hath jedoch befände sich in einem Zustand völliger Verwirrung, was auf die Gedankengänge seines Reiters zurückzuführen sei. Ob F'lar denn den gesamten Weyr aufscheuchen müsse ...
»Ach, sei still!« sagte F'lar halblaut.
»Weshalb?« fragt Lessa. Sie hatte ihren normalen Tonfall wieder gefunden.
»Ich habe nicht dich gemeint«, erwiderte er lächelnd. Er tat, als hätte er ihre Sätze von vorher nicht gehört. »Mnementh erteilt mir laufend Ratschläge.«
»Wie der Reiter, so der Drache«, meinte sie spitz.
Ramoth gähnte gewaltig.
Lessa war sofort auf den Beinen und lief in die Schlafhohle der Drachenkönigin. Sie wirkte winzig neben dem goldenen Ungetüm.
Ein zärtliches Leuchten kam über ihre Züge, als sie in Ramoths schillernde Augen sah. F'lar biss die Zähne zusammen.
Neid erfüllte ihn, Neid auf Ramoth.
Er hörte Mnemenths Gelächter.
»Sie hat Hunger«, sagte Lessa, zu F'lar gewandt.
Ihr Mund war weicher als gewöhnlich, und ihre grauen Augen verrieten Wärme.
»Sie hat immer Hunger«, stellte er fest und folgte ihnen nach draußen.
Mnementh flog auf und schwebte ein Stück oberhalb des Felsvorsprungs, bis Lessa und Ramoth gestartet waren. Sie glitten in den Weyrkessel, über den dunstigen Badesee und auf die Futterstelle zu, die am anderen Ende des lang gestreckten Ovals lag. In den steilen Felswänden gähnten schwarze Höhleneingänge. Nirgends dösten an diesem Morgen Drachen in der blassen Wintersonne.
F'lar schwang sich auf Mnemenths glatten Nacken. Er hoffte, dass Ramoth das Vertrauen rechtfertigen wurde, das er in sie gesetzt hatte. Aber das war eigentlich nicht schwer. Nach dem wilden, langen Paarungsflug mit Mnementh legte sie sicher mehr Eier als Nemorth, die
Weitere Kostenlose Bücher