Die Welt der grünen Lady
ähnlich dem einer Glocke. Bartare lauschte, bis das Echo verklungen war. Dann packte sie erneut Oomark an den Schultern und schüttelte ihn heftig. Ich sah, wie sich ihre Lippen bewegten, aber hören konnte ich nichts. Was immer sie sagte, war wirksam genug. Oomark bückte sich, um auch einen kleinen Stein aufzuheben und stellte sich dann neben die rote Steinkugel, während Bartare zu einer anderen roten Kugel ging. Sie winkte, und beide schlugen nun gleichzeitig gegen ihre roten Kugeln. Zwei Töne erklangen – aber sie waren deutlich verschieden.
Bartare schüttelte den Kopf und bedeutete Oomark, weiterzugehen. Danach probierten sie ein zweites Paar aus, ein drittes, und jedesmal schüttelte Bartare den Kopf und ging unverdrossen weiter zum nächsten Stein.
Als sie sich auf diese Weise weit genug entfernt hatten, wagte ich es, nun ebenfalls den Steilhang hinunterzusteigen. Ich hoffte, daß Bartare zu sehr mit ihrem merkwürdigen Tun beschäftigt war, um mich zu bemerken.
Ich erreichte den Grund der Schlucht und folgte im Schutz der größeren Felsblöcke den Tönen der musikalischen Kugeln. Manchmal erreichten sie fast den gleichen Ton, aber was immer Bartare suchte, hatte sie offenbar noch nicht gefunden. Einmal stolperte ich, und als ich haltsuchend meine Hand ausstreckte, berührte ich einen der roten Steine. Hastig zog ich meine Hand zurück. Der Stein war heiß – vielleicht nicht heiß genug, um mich zu verbrennen, aber doch heiß genug, um mich zu erschrecken.
Versuchsweise berührte ich einen der gewöhnlichen grauen Steinblöcke – er war nicht wärmer als jeder normale sonnenerhitzte Stein. Von da an vermied ich es, den roten Kugeln zu nahe zu kommen. Und dann sah ich auf und begegnete Bartares starrem Blick. Sie hob ihren rechten Arm und schleuderte etwas gegen mich. Im gleichen Augenblick traf mich ein Lichtspeer mitten ins Gesicht und in die Augen.
5
Wie lange ich dort benommen und geblendet saß, kann ich nicht sagen. Als meine Sehkraft wiederkehrte, waren die Kinder weit von mir entfernt, aber ich sah, daß sie noch immer gegen die Kugelsteine schlugen. Ich versuchte aufzustehen und ihnen nachzugehen, aber meine Füße wurden wie von einer unsichtbaren Falle festgehalten. Ich schwankte hin und her, konnte jedoch weder den einen, noch den anderen Fuß vom Boden heben.
Ich hatte Angst. Die Kinder entfernten sich immer weiter, und dort im Hintergrund der Schlucht waren die Felsblöcke höher, sc daß ich Mühe hatte, sie im Auge zu behalten. Und schließlich konnte ich sie gar nicht mehr sehen.
Ihr Verschwinden war der Schlüssel zu meiner unsichtbaren Fessel. Ich konnte wieder laufen. Allerdings kam ich nur langsam voran, es gab viele kleine, lose Steine, die mit fast teuflischer Absicht unter meinen Füßen wegzurollen und zu rutschen schienen. Einmal fiel ich hin und verstauchte mir den Fuß. Ich rieb ihn vorsichtig, und es gelang mir, wieder aufzutreten und weiterzuhumpeln. Ich gelangte dorthin, wo die Felsblöcke höher waren und konnte von hier aus eine Fläche überblicken, die voller roter Steine war, viel größer als jene im vorderen Teil der Schlucht. Und dann sah ich auch die Kinder.
Oomark machte einen sehr erschöpften Eindruck. Einmal warf er wütend den kleinen Stein weg, mit dem er gegen die roten Kugeln schlagen mußte, und wandte sich ab, als wollte er zurückgehen. Aber Bartare verstellte ihm den Weg. Ich sah Oomarks Gesicht. Seine runden Kinderwangen waren gerötet und tränenverschmiert. Es war deutlich, daß er seiner Schwester gegen seinen Willen gehorchte.
Sie deutete gebieterisch auf den Boden, und er hob einen neuen Stein auf. Seine Schultern hingen so jämmerlich herab, daß ich am liebsten zu ihm gelaufen wäre, um mich schützend vor ihn zu stellen. Langsam wandte er sich dem nächsten der roten Kugelsteine zu.
Bartare suchte sich ebenfalls einen neuen roten Stein aus, und sie schien so in ihr Tun vertieft, daß ich es wagte, weiter aufzuholen. Ein tiefer, singender Ton kam von der Kugel, die Bartare gerade anschlug, und ich hörte ihren Triumpfschrei. Sie blieb, wo sie war, winkte jedoch Oomark zu, einen anderen Stein auszuprobieren. Die Töne lagen dicht beieinander, waren aber nicht gleich. Aber als Oomark zu einer dritten Kugel lief, auf die sie deutete, hatte Bartare erreicht, was sie suchte. Die beiden Töne verschmolzen zu einem perfekten Gleichklang.
Bartare lauschte mit leicht geneigtem Kopf, ihre Augen starr in die Ferne gerichtet. Als nichts
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